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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Wolkenbänken
hängende Mondsichel war dünn wie eine Wimper. Bevor er sich in Westish
eingeschrieben hatte, hatte Schwartz noch nie eine derartige Dunkelheit erlebt;
während der ersten Tage auf dem Campus hatte er sich vor dem Einschlafen gefürchtet,
als könnten ihn Nacht und Stille mit Haut und Haar verschlingen. Jetzt fragte
er sich, ob er je wieder in der Stadt würde leben können.
    »Ich glaube nicht, dass
er seinen Kummer in Alkohol ertränkt«, sagte Owen.
    Henry ging nur in Bars,
wenn man ihn dazu zwang, etwa wenn einer seiner Mitspieler Geburtstag hatte
oder zum jährlichen Frischlings-Aufnahmeabend der Harpooners.
Nichtsdestoweniger merkten Schwartz und Owen, wie ihre Schritte sie in Richtung
Bartleby’s führten. Westish war eben überschaubar, weshalb es auch nur eine
überschaubare Anzahl möglicher Orte gab, an denen man suchen konnte.
    Für alle
Nicht-Baseballspieler war in Sachen Alkoholkonsum jetzt Primetime: Mitternacht
an einem Samstag im Mai, bis zu den Abschlussprüfungen waren noch zwei Wochen Zeit.
Die Schlange vor dem Bartleby’s wand sich s-förmig zwischen den
Freizeitpark-Kordeln hindurch und dann weiter den Block entlang. Junge Mädchen
bibberten in hauchdünnen Kleidchen, zwei drängten sich unter einer dünnen
schwarzen Jacke zusammen. Jungs rammten die Hände in die Taschen und versuchten
so auszusehen, als wäre ihnen nicht kalt.
    Schwartz löste die
Kordel von dem kugelgekrönten Metallständer und ging zum Anfang der Schlange,
Owen hinter sich. Neben der Tür saß einer der jungen Linebacker des Harpooners-Footballteams
auf einem hölzernen Barhocker und spielte mit seinem mechanischen
Personenzähler. Schwartz knuffte ihn freundlich auf die Brust. »Lopez. Ich
dachte, du hättest die Uni längst geschmissen.«
    Lopez zuckte mit den
Schultern. »Bis jetzt noch nicht.«
    Schwartz linste durch
die getönte Glastür. »Ziemlich voll da drin.«
    »Bis unters Dach«,
sagte Lopez. »Ich lass gerade nicht mal mehr Mädchen rein.«
    »Hast du vielleicht den
Skrimmer gesehen?«
    »Henry? Hier?« Lopez
kniff die Augen zusammen und kratzte sich am Kinn, als hätte man ihn dazu
gezwungen, irgendein kompliziertes Rätsel zu lösen. »Glaube nicht. Aber Adam
ist drin.«
    »Starblind? Was macht
der denn hier? Wir spielen doch morgen.«
    Lopez zuckte wieder mit
den Schultern. »Keine Ahnung. Hat irgendein Mädel dabei.«
    »Na toll«, sagte
Schwartz. »Fantastisch.« Noch sieben Stunden, bis der Bus zu den wichtigsten
und – wenn sie verlieren würden, was nicht passieren würde – letzten Spielen
seiner Karriere in Westish abfuhr. Nicht nur, dass er nicht schlief, nicht nur,
dass er keine Medikamente mehr hatte und deshalb auf hundertachtzig war, nicht
nur, dass er jeden Pulsschlag in seinen halbkaputten Knien spürte, nicht nur,
dass sein bester Spieler verzweifelt und nicht aufzufinden war, nein, jetzt
setzte sich auch noch sein zweitbester Spieler über den Zapfenstreich hinweg,
um hinter irgendwelchen Ärschen herzurennen. »Meinst du, wir könnten mal kurz
reingucken?«
    Lopez lehnte sich mit
seinem fleischigen Oberarm gegen die Glastür, ließ sie an der Schlange vorbei
hinein und erließ ihnen außerdem die zwei Dollar Eintritt. Das Bartleby’s war
voller Körper und aufblitzender Lichter. An den Wänden bewarben Neonreklamen in
Schreibschrift grell die alteingesessenen Biermarken der Region – Schlitz,
Blatz, Hamm’s, Pabst, Huber, Old Style –, die jetzt allesamt einem Tabakkonzern
im Süden gehörten. Auf den Fernsehbildschirmen liefen die NBA -Playoffs,
aus der Jukebox kam schlechter HipHop, und zwei muskulöse Städter zielten mit
Plastikflinten auf den Big-Buck-Hunter- IV -Automaten. Owen beugte sich vor, um
Schwartz etwas ins Ohr zu brüllen.
    »Was?«, brüllte
Schwartz zurück.
    »Ich sagte, ich stehe
in Bier.«
    »Wir stehen alle in
Bier.«
    »Aber wieso? Das ist
ekelhaft.«
    Selbst wenn er es
gewollt hätte, wäre es zu laut gewesen, um Owen jetzt das heterosexuelle
Balzverhalten zu erklären, also kämpfte sich Schwartz weiter durch die Masse,
blickte über die Baseballkappen und die glänzenden Frisuren der Mädchen hinweg,
außerstande, die Suche nach Henry aufzugeben, auch wenn er hier auf keinen Fall
zu finden sein würde. Gott, das Bier roch gut. Er versuchte, vor Spielen nicht
zu trinken, aber wenn man kein Hydrocodon zur Hand hatte – heute Morgen hatte
er die letzte genommen –, waren ein paar Bier schon fast eine Notwendigkeit.
    Owen tippte ihm auf

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