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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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ich dir
ausrichten? Sein Auto steht beim VAC , der Schlüssel steckt. Spiel ein
bisschen mit dem Gas, wenn der Motor nicht gleich anspringt. Was noch? Ach ja.
Die Wegbeschreibung dorthin, wo du jetzt eigentlich sein solltest, liegt auf
dem Vordersitz.«
    Henry nickte. »Danke.«
    »Ach, nichts zu danken.
Was könnte ich an einem Sonntagmorgen lieber tun, als Kurier des Königs zu
spielen?« Sie blickte auf Henrys Füße hinab, die immer noch schrumpelig und
bleich waren. »Tut mir leid wegen des Spiels. Das Glück war wohl nicht auf
eurer Seite.«
    »Glück«, wiederholte
Henry.
    »Na ja, Glück ist vielleicht das falsche Wort. Jedenfalls wollte
ich nur … Also, wenn du jemanden zum Reden brauchst, weißt du, wo du mich
findest.«
    »Gut.«
    »Du bist ziemlich
einsilbig, weißt du das?«
    »Tut mir leid.«
    »Schon besser.«
    Henry erwartete, dass
sie gehen würde, aber stattdessen stand sie nur da und spielte mit den
Kapuzenbändern ihres Sweatshirts, während sie abwechselnd auf seine Füße und an
ihm vorbei ins Zimmer schaute. Er suchte nach etwas Höflichem, Mehrsilbigem,
das er sagen könnte. »Willst du einen Tee?«
    Pella zuckte mit den
Schultern. »Du hast es bestimmt eilig. Wegbeschreibung auf dem Sitz und so.«
    »Ich gehe nirgends
hin.«
    »Oh. Na dann. Klar.
Tee.«
    Henry hatte noch nie
Tee gekocht – das war Owens Abteilung. Er versuchte anhand der Blubbergeräusche
den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen, um den Wasserkocher abzuschalten, und er
versuchte die richtige Menge English Breakfast in die Porzellantasse zu geben –
nicht dass er eine Ahnung gehabt hätte, was die richtige Menge sein könnte.
Pella stand in der Mitte des kleinen Teppichs und sah sich um. »Wirklich nett
hier«, sagte sie. »Für ein Wohnheimzimmer.«
    »Es sind hauptsächlich
Owens Sachen.«
    »Hat Owen das gemalt?«
Sie zeigte auf das grün-weiße Bild, das über Henrys Bett hing und das ihm so
gut gefiel, weil es an ein schmieriges Baseballfeld erinnerte.
    »Als ich eingezogen
bin, habe ich Owen dieselbe Frage gestellt, und er hat geantwortet, ›Schon, ja,
aber es ist von Rothko geklaut.‹ Ich dachte, Rothko wäre irgendein Laden – dass
er es wirklich in einem Geschäft geklaut hätte. Ich war überrascht, weil es so
groß ist. Wie stiehlt man so etwas? Dann habe ich Moderne Kunst Nr. 105 belegt.«
    Pella lachte. Henry
bereute es, die Anekdote erzählt zu haben, die ihn dumm dastehen ließ. Sprechen
war ungeheuer anstrengend, wie Steine aus einem Brunnen zu hieven, aber er war
entschlossen, sein Bestes zu geben. Wenigstens wirkte sie etwas aufgeheitert.
    »Es gefällt euch
wirklich hier«, sagte sie, »stimmt’s?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, ihr alle –
du, Mike, mein Vater, vielleicht auch Owen, aber den kenne ich nicht so gut –
scheint Westish wirklich zu lieben. Als wolltet ihr niemals weg von hier. Zum
Teil glaube ich, dass Mike gar nicht Jura studieren wollte ,
dass er sich unbewusst selbst sabotiert hat, um keinen Grund zu haben, hier
wegzumüssen, weg von dem einzigen Ort, an dem er jemals glücklich war. Ich
meine, wieso hat er sich denn an bloß sechs Unis beworben? Den sechs besten im
Land? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Seinen Abschluss wird
er so oder so machen«, bemerkte Henry. »Hierbleiben kann er nicht.«
    »Er kann nicht
hierbleiben, aber er kann auch nicht weggehen, nicht ohne ein Ziel. Und, na ja,
vielleicht ist es bei dir ja genauso. Vielleicht bist du einfach noch nicht so
weit.«
    Henry sah sie an.
    »Tut mir leid«, sagte
Pella.
    »Alle anderen meinen,
dass ich zu sehr hinter einer Profikarriere her war. Und du meinst, dass ich es
überhaupt nicht war.«
    »Was meinst du denn?«
    »Ich meine, ihr könnt
mich alle mal am Arsch lecken.«
    Pella grinste. »Das ist
der erste Schritt zur Besserung.« Sie ging zum Kaminsims hinüber, auf dem dicht
an dicht ein Baseball, Owens einsame Flasche Scotch und ein schmales, in
marineblaues Leder gebundenes Buch lagen, das Henry nicht kannte.
    »Hier liegt nicht mal Staub «, sagte sie. Sie zog den Pappzylinder von der
bernsteinfarbenen Flasche. »Darf ich?«
    Henry nickte. Pella
goss ein wenig in ein Glas, nahm einen kleinen Schluck und wälzte ihn prüfend
im Mund. »Hm, nicht schlecht.« Sie streckte Henry das Glas entgegen.
    Henry nahm es und
nippte an der lichtdurchschossenen Flüssigkeit, die exakt die Farbe von
Schwartzys Augen hatte. Der Geschmack überwältigte seine unter Schlafentzug
leidenden Sinne; er musste husten und spuckte

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