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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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alles auf den Teppich.
    »He, was für eine
Verschwendung.« Pella setzte sich mit übergeschlagenen Beinen auf Owens Bett.
Sie angelte das blaue Buch vom Sims – es sah aus wie ein altes Jahrbuch – und
schlug es auf. Einen Augenblick später sah sie zu Henry auf, ihr Blick war
unergründlich. »Mein Vater und Owen schlafen miteinander.«
    »Dein Vater?«, sagte
Henry. »President Affenlight?«
    Pella reichte ihm das
aufgeschlagene Buch. »Links oben.« Es sah aus wie das jugendliche Foto eines
mittlerweile berühmten Dichters oder Dramatikers, ein Bild, wie Owen sie
manchmal rahmte, um damit eine der wenigen kahlen Stellen an den Wänden zu
bedecken. Dann bemerkte Henry, dass er die beiden Ahornbäume im Mittelgrund
schon einmal gesehen hatte. Und das Haus hinter einem der Bäume hätte, ließ man
den bleichen Farbton der Vordertür außer Acht, durchaus die Phumber Hall sein
können. Schließlich fügten sich auch die Gesichtszüge des Mannes, der das
Fahrrad schob, zu etwas Bekanntem zusammen. Ein abgerissenes Stück von einem
lila Post-it markierte die Seite.
    »Dein Dad ist hier zur
Schule gegangen?«
    »Abschlussklasse von ’71. Wohlauf denn, Jungs, und das ganze Zeug.«
    Henry musste daran
denken, wie er mit zwei Gläsern Milch in der Hand heraufgekommen war und
President Affenlight im Zimmer gestanden hatte.
    »Was machst du denn für
ein Gesicht?«, sagte Pella. »Du wusstest davon?«
    »Nein … nein.«
    »Aber.«
    »Aber … dein Dad war
dieses Jahr bei vielen unserer Spiele.«
    Pella nickte. »Immer
wieder habe ich mir gesagt, dass ich mir alles nur einbilde. Aber jetzt dieses
Jahrbuch, wie aufs Stichwort. Und schau dich an – du bist nicht mal überrascht.
Brauche ich mehr Beweise?«
    Sie nahm Henry das Buch
aus der Hand und lehnte sich auf dem Bett zurück, den Kopf auf Owens Kissen.
Lange betrachtete sie das Foto, ohne ein Wort zu sagen. Draußen vor dem Fenster
lag der Hof in der für einen späten Sonntagmorgen typischen Ruhe da. Keine
Vögel, keine Grillen, keine Brise, die die handschuhgroßen Blätter der
Ahornbäume zum Rascheln gebracht hätte. Als Henrys Wurf Owen ins Gesicht
getroffen hatte, waren seine Mitspieler, seine Fans, die Schiedsrichter, selbst
die Spieler von Milford schlagartig verstummt, als könnte ihr Schweigen Owen
helfen oder seine Verwundung rückgängig machen. Und auch gestern, als er
Starblind den Ball in die Hand gedrückt hatte und zur Spielerbank
zurückgegangen war, war auf dem Platz kein Ton zu hören gewesen, nicht einmal
ein Henry, du Niete ! seitens der Coshwale-Fans. Seine
Mitspieler konnten ihn nicht einmal ansehen, sie taten so, als wären sie in die
Betrachtung der zerdrückten Pappbecher und der Sonnenblumenkernschalen auf dem
Fußboden des Unterstands vertieft. Warum sagte niemand irgendetwas, etwas
Fieses oder Stumpfsinniges oder Belangloses? Sollte es ein gut gemeintes
Schweigen sein, so half es ihm nicht. Er wollte sich aus diesem falschen
Schweigen herausschreien, wollte es ein für alle Mal beenden. Doch hier saß er
nun, gefangen in einem weiteren Schweigen, einem winzigen
Zwei-Personen-Schweigen, und nicht einmal das konnte er beenden.
    Wie eine abgeflachte
Sinuskurve oder eine Ameisenstraße fiel eine Strähne von Pellas weinfarbenem
Haar über das blassgrüne Kissen. Zu seiner eigenen Verwunderung streckte er die
Hand danach aus und berührte sie mit den Fingern.
    Pellas ganzer Körper
spannte und entspannte sich wieder.
    »Es ist ein tolles
Foto«, sagte sie. »Ich hätte auch gern einen Abzug davon.«
    Unter dem losen Bund
ihrer Jeans konnte Henry ein schmales glänzendes Stück eisblauen Stoff
erkennen. Seine Finger flatterten ein wenig, als sie ihr Haar verließen und dem
sanften Schwung ihrer Wange folgten. Sie hob das Kinn, um ihn unter den Lidern
hervor anzusehen. »Nervös?«
    »Nein.«
    »Das musst du nicht
sein.« Sie ergriff sein Handgelenk und führte die Hand an der Vorderseite ihres
Körpers hinunter, dem eisigen Blau entgegen. »Sag mir, wie es sich angefühlt
hat, als du vom Feld gegangen bist.«

56
    —
    Am Himmel hing noch eine nachmittägliche Spur Sonnenlicht,
als Henry erwachte. Durch das weit geöffnete Fenster strömte kalte Luft ins
Zimmer. Sein Penis schmerzte, oben an der Wurzel. Er schob eine Hand unter die
Bettdecke und ertastete den Ring eines Kondoms, der sich in seine Haut gegraben
hatte. Die geschwungene Küstenlinie von Pellas Bein und Hüfte ruhte an seiner
eigenen und sandte Wärme aus. Er versuchte das

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