Kunst des Feldspiels
los.«
»Ich glaube nicht, dass
sie erwischt werden«, sagte Henry. »Außerdem geht Owen nach Japan.«
Pella lief immer noch
im Zimmer auf und ab; sie wirkte verzweifelt. Selbst wenn sie neben ihm auf dem
Bett gesessen hätte, hätte er sich wahrscheinlich nicht getraut, sie in den Arm
zu nehmen oder ihre Schulter zu tätscheln und Ist ja gut,
ist ja gut zu sagen. Sie kannten einander kaum. Er würde Pella
Affenlight vermutlich niemals wieder berühren.
»Vielleicht solltest du
mal mit deinem Dad reden.« Henry erhob sich mühsam und zog Trainingshose und
T-Shirt über. Er zitterte. »Ihr beiden scheint euch ziemlich nah zu stehen.«
»Nah.« Sie spuckte das Wort aus wie einen
Fluch. »Und wie nah wir uns stehen.«
Nach drei Jahren in der
Phumber Hall war Henry ein Experte darin geworden, Menschen nach dem Klang
ihrer Schritte zu unterscheiden. Als jetzt Schritte den Treppenabsatz im
zweiten Stockwerk erreichten, wusste er bereits, dass sie zu keinem der Mädchen
aus der dritten Etage gehörten und auch nicht zu einem der asiatischen Steves
von gegenüber. Owen war zurück. Aber da war noch ein zweites Paar Schritte.
Henry erstarrte. Pella hielt inne und sah ihn an, beunruhigt durch den
zweifellos ernsten Ausdruck, der sich auf seinem Gesicht abzeichnete. Hätte er
über mehr Energie verfügt, dann hätte er sie vielleicht in die Dusche oder
unter sein Bett manövriert, woraus sich vielleicht eine noch größere Farce
entwickelt hätte.
Was stattdessen
geschah, war, dass er mitten im Raum stand wie bestellt und nicht abgeholt, als
Owens Schlüssel im Schloss schabte. Pella ließ sich in den dick gepolsterten
Sessel fallen, schwang die Beine über eine der Armlehnen und pflückte ein Buch
aus dem Regal neben ihr. Henry sah auf seine Füße hinunter und dachte, Ich habe keine Socken an. Ich habe sonst immer Socken an.
Schwartz blieb an der
Schwelle stehen, während Owen den Raum betrat. »Hi, Jungs«, sagte Pella, wobei
sie mit der Souveränität einer professionellen Schauspielerin den Blick von
ihrer Lektüre – Die Kunst des Feldspiels – hob.
»Hi«, sagte Schwartz.
»Wie geht’s?«
»Ganz okay.«
Ermutigt von der
Banalität dieses Austauschs, tat Henry etwas, das er auf der Stelle bereute. Er
sprach. »Wie ist es gelaufen?«
Schwartz sah ihn an,
dann Pella, dann wieder ihn. »Buddha«, sagte er.
»Ja, Michael.«
»Hast du heute Morgen
vergessen, dein Bett zu machen?«
Owen musterte das Bett
eingehend, die Lippen fest aufeinandergepresst, die Augenbrauen zu einem
Ausdruck tiefster Konzentration zusammengezogen. »Das ist möglich«, sagte er
nach einer langen Pause mit einem leichten Nicken. »Das ist durchaus möglich.«
»Mhm.« Schwartz zeigte
auf die Ecke zwischen Owens Bett und dem Kaminsims. »Und das gehört wohl auch
dir?«
Dort inmitten der sich
in der Ecke kreuzenden Schatten lag ein zerknittertes Stück Seide oder Viskose
oder eines anderen seidigen Stoffs von eisblauer Farbe. Owen betrachtete es
lange, als wollte er es durch Willenskraft zum Verschwinden bringen oder es
zumindest in ein weniger eindeutiges Exemplar dessen verwandeln, was es ganz
eindeutig war. »Nein«, sagte er schließlich in sanftem, bedächtigem Ton, als
deutlich geworden war, dass Schwartz auf eine Antwort zu warten gedachte. »Das
tut es wohl nicht.«
Pella wollte etwas
sagen, aber Schwartz schnitt ihr mit einer Geste das Wort ab. »Ich bin nicht
sauer«, sagte er mit lauter, brüchiger Stimme. »Ich finde, du bist eine
verdammte Heilige. Kommst hierher, um deine heilenden Hände einzusetzen. Deinen
heilenden Mund. Dein heilendes Wasweißich. Ich hätte dich früher herschicken
sollen.«
»Du hättest auch jemand
anderen schicken können«, sagte Pella. »Gott noch mal, du hättest es gleich
selbst machen können.«
»Was soll das heißen?«
»Du weißt, was es
heißt. Ich bin nicht euer Vermittler. Mike, Henry. Henry, Mike.«
Owen trat in die Mitte
des Raumes und hob die Hand. »Okay«, sagte er mit seiner schönsten,
karamelligsten Mediatorenstimme, »warum atmen wir nicht alle mal tie-«
»Du hältst dich da
raus.« Pella blitzte Owen an. »Ich weiß über dich Bescheid.«
Owen sah sie an. Auf
seinem Gesicht blitzte ein Moment des Verstehens, der Betroffenheit auf, und er
zog sich in eine Ecke des Raumes zurück. Henry stand bloß da und kam sich vor,
als wäre er unsichtbar. Nach dem, was er getan hatte, hätte das vielleicht eine
Erleichterung sein sollen, doch stattdessen machte es ihn wütend,
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