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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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einem solchen Verlust
führten, war so dick und so verschlungen, dass er niemals eines der Enden der
Kette fand, um sie von dort aus nachverfolgen und herausfinden zu können, worin
der Grund lag. Vielleicht war er als Elternteil zu nachgiebig und tolerant
gewesen und hatte Pella dadurch gezwungen, zu früh erwachsen zu werden. Oder
aber er war nie tolerant genug gewesen, um einem derart talentierten Mädchen
wie Pella gerecht zu werden. Vielleicht hatte er sie aber auch mustergültig
aufgezogen, während alle anderen Eltern weltweit fatal geirrt hatten, und Pella
war gerade aufgrund ihrer mustergültigen Erziehung gezwungen gewesen, ihren
eigenen Weg zu finden.
    Letzteres war ein
Scherz gewesen, und Affenlight lächelte. Wahrscheinlich war die Kette der
Fehler ein makelloser Kreis, ganz ohne Enden. Im Leben eines Menschen gab es
kein Warum und nur selten ein Wie .
Auf der Suche nach hilfreicher Lebensweisheit kam man zwangsweise doch immer
wieder zu den abgegriffenen Konzepten wie Güte, Nachsicht und unendliche Geduld
zurück. Salomo und Lincoln: Auch das geht vorbei. Und
das tat es verdammt noch mal auch. Oder Tschechow: Nichts
geht vorbei. Stimmte genauso.
    Er folgte diesen
Gedanken eine Weile in seinem Notizblock, dann legte er den Bleistift beiseite
und inspizierte seine Fingerspitzen, die Halbmonde blassen Schmutzes von dem
Fenstergitter aufgenommen hatten. Die Sätze, die er niedergeschrieben hatte,
waren ein wenig düster, ein wenig uneindeutig für die Abschlussfeier, aber es
ließ sich damit arbeiten. Der Hauptredner, der mittelprächtige Politiker, würde
die anspornende
Setzt-eure-vielen-Talente-und-Vorzüge-zum-Wohl-aller-ein-Mahnrede halten.
Affenlight würde sich mit Humor und Resignation bescheiden.
    Sein Handy machte
klingeling. Contango hob neugierig die Schnauze. Affenlight wartete einige
Augenblicke, bevor er den Anruf annahm, um nicht übereifrig zu wirken.
    »Wir haben es wieder
geschafft«, sagte Owen über den Lärm einer Umkleidekabine hinweg. »Acht zu
sieben.«
    »Verflucht noch eins!«
Affenlight schlug sich auf den in Twill gekleideten Oberschenkel.
»Fantastisch.«
    »Das ist noch
untertrieben. Du müsstest die Teams mal sehen, gegen die wir spielen. Diese
Unis müssen über großzügige Etats für Steroide verfügen. Und ihre Fans tanzen
richtige Choreographien.«
    »Und doch haben die
Harpooners jedes Mal die Nase vorn.«
    »Heute hatten wir sie
jedenfalls meterweit vorn. Sal ist beim Werfen über sich hinausgewachsen. Und
Adam und Mike haben jeder einen Home Run gemacht. Die beiden spielen gerade wie
besessen.«
    »Fantastisch«,
wiederholte Affenlight. »Und du?«
    »Ich selbst habe
möglicherweise auch einen oder zwei Hits beigesteuert.«
    »Zwei?«
    »Zwei«, bestätigte
Owen. »Der Coach hat mich als dritten schlagen lassen.«
    »Fantastisch«, sagte
Affenlight zum dritten und, wie er beschloss, letzten Mal. Mit Owen zu sprechen
verlieh ihm manchmal außerordentliche Eloquenz, und manchmal degenerierte er
dabei zu stumpfer Einfältigkeit.
    »Dann kommst du also
morgen?«, fragte Owen. »Zum Meisterschaftsspiel?«
    »Der Flug ist gebucht.
Ich wollte es dir nicht sagen, ich wusste nicht, ob das Unglück bringt. Ich
fliege morgen ganz früh.«
    »Perfekt. Weißt du,
Guert, bis jetzt war ich noch nie nervös vor einem Spiel. Selbst die
Vorstellung war mir fremd. Ich meine, was kann im schlimmsten Fall passieren?
Man kann gewinnen oder verlieren. Aber wenn ich jetzt an morgen denke, das
Nationalmeisterschaftsspiel, live auf ESPN , dann …« Er senkte die Stimme, wie um
ein beschämendes Geständnis zu machen. »… dann will ich einfach gewinnen .«
    Affenlight lächelte. Es
freute ihn zu hören, wie sich Owen, der Meister der übernatürlichen,
abgeklärten Gelassenheit, zu einer starken Gefühlsregung bekannte.
    »Hast du mal nach Henry
geschaut?«, fragte Owen.
    »Ich habe gestern Abend
bei ihm geklopft«, sagte Affenlight. »Und heute auch noch einmal. Er scheint
nie da zu sein.«
    »Er ist sicher da«,
sagte Owen. »Er geht nur nicht an die Tür. Du musst ihn überraschen. Kannst du
von der Verwaltung einen Schlüssel organisieren?«
    Affenlight steckte eine
Hand in die Hosentasche und befühlte den Schlüssel, den er sich geborgt hatte,
als Owen im Krankenhaus gewesen war. Er trug ihn wie einen Talisman bei sich.
»Ich glaube schon.«
    »Du bist ein Schatz,
Guert. Es macht dir doch nichts aus, oder?«
    »Nicht das Geringste.«
    Affenlight legte auf.
Vor dem Fenster machte das

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