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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Fuß aus seinem burgunderfarbenen Slipper und rieb sich den juckenden
Widerrist an der starren Ferse des Schuhs. Vor ihm augebreitet lagen
konkurrierende Budgetmodelle für das kommende Jahr, zusammen mit den
offiziellen Vorschlägen der Studenten für ein Verantwortungsbewusstes Westish
und Protokollen von Gesprächen, die Affenlight mit Umweltberatern, Aktivisten
und Architekten geführt hatte, Leuten, die solche Umgestaltungen bereits an
Universitäten mit größerem Budget und stärkerem Bewusstsein für
Zukunftsfähigkeit durchgeführt hatten. In letzter Zeit hatte er so geschuftet,
dass Mrs. McCallister wieder begonnen hatte, ihn in gesungener Form zu
begrüßen.
    Auf dem Läufer neben ihm lag, alles andere als arbeitsam, Contango,
das majestätische Haupt auf die weißen Pfoten gebettet. Ein Testlauf, während
Sandy Bremen in Taos war, um das neue Haus einzurichten.
    Affenlight fühlte sich
schläfrig; die Zahlen verschwammen und tanzten vor seinen Augen. Eine Tasse
Kaffee hätte ihn wieder munter gemacht, aber es war bereits 16.37 Uhr, 17.37 Uhr in South Carolina, wo Owen sich aufhielt, und
Mrs. McCallister würde die vom Tag übrig gebliebene Brühe weggekippt
haben, bevor sie gegangen war. Er hätte eine neue Kanne kochen müssen.
Vielleicht sollte er lieber den Hund ausführen und sich auf diese Weise
erfrischen.
    Er holte etwas Kleines,
Trockenes aus der Ecke eines Nasenlochs und schnippte es in Richtung
Papierkorb. Dann hob er sein Hinterteil, umfasste die Armlehnen seines antiken
Lederstuhls und rutschte um neunzig Grad nach links, um aus dem Fenster sehen
zu können. Der Stuhl war stabil und gemütlich, einem Präsidenten angemessen –
er hatte die Hinterbacken jedes Präsidenten von Westish seit Arthur Hart Birk
persönlich gestützt –, aber manchmal sehnte sich Affenlight nach einem
schnittigen, modernen mit Rollen und einer Mittelachse, um die man rotieren
konnte. Nachdem er den großen Stuhl ans Fenster gezogen hatte, lehnte er die
Stirn gegen das Glas, das sich trotz des Sonnenlichts kalt anfühlte, und fuhr
mit seinen sorgfältig geschnittenen Nägeln über den freiliegenden Teil des
Fenstergitters, was ein kratzendes, metallisches Geräusch erzeugte. Der
Ausdruck dafür, was ein Stuhl sein musste, war ihm kurzzeitig entfallen: kipp-
und schwenkbar. Melville hatte Amerika einst als Wiege der »Schniefilisation«
bezeichnet, die den modernen Menschen unglücklich machte, der seine Bedürfnisse
von ihr lenken ließ – was Affenlight wollte, war ein schiefilisierter Stuhl, der ihn glücklich machte, indem er sich von ihm kippen und schwenken
ließ.
    Vor dem Fenster eilte
ein Speisesaalmitarbeiter mit marineblauem Kittel und Mütze nach draußen, um
rasch eine Zigarette zu rauchen. Ein Mädchen in marineblauen Shorts mit
griechischen Lettern quer über dem Gesäß warf eine pinke Frisbeescheibe in
einem gekonnten Bogen zwischen zwei Bäumen hindurch. Über den Himmel zog eine
Schar Gänse. An der Louvin Hall, die ein undichtes Dach hatte, war ein Gerüst
errichtet worden. Gelbe Seile, die zwischen weißen Pfosten gespannt waren,
schützten eine mit frischem Rasen bepflanzte Ecke – zur Abschlussfeier war die
Verwaltung immer erpicht, alles idyllisch erscheinen zu lassen; mitunter ging
man gar so weit, totes Gras mit hellgrüner Farbe zu besprühen. Klaviertöne
wehten heran wie Rauch, vermischt mit sanft zirpendem Vogelgezwitscher. Ein
Pizzabote erschien in der Tür der Louvin Hall und klappte seine rote Warmhaltebox
zu.
    Affenlight fühlte sich
ausgelassen, als hätte er einen Scotch getrunken und freute sich auf einen
zweiten. Pella wusste noch nichts von dem Haus – er hatte das Geheimnis nicht
per E-Mail lüften wollen, was derzeit ihre einzige Kommunikationsform war –,
aber die Verhandlungen mit den Bremens schritten zügig voran. Und
glücklicherweise hatte Pella sich entschlossen, im Herbstsemester richtig zu
studieren. Er vermisste sie, vermisste sie noch mehr, wenn sie einen Kilometer
entfernt war statt tausend, aber er spürte, dass sie ihre Verbindung erneuert
hatten – er durch den geplanten Hauskauf, sie, indem sie sich in Westish
eingeschrieben hatte. Seine Zukunft als Vater schien so gesichert wie seit zehn
Jahren nicht. Es ging voran. Mike Schwartz hatte Jenkins’ Angebot nicht
angenommen, aber das war seine Entscheidung. Außerdem hatte Affenlight nicht
Pella zuliebe so gekämpft, um Jenkins die nötigen Mittel für eine entsprechende
Stelle zuteilen zu können. Er hatte

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