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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Studenten
die Kohlenstoffemissionen senken wollten, stimmte ja.
    »Die Studenten «, sagte Gibbs, »sind weltfremd. Erinnerst du
dich, wie sie verlangten, dass wir uns von allen Ölanlagen trennen? Öl bedeutet
Geld. Erst beschweren sie sich über die Anhebung der Studiengebühren und dann
darüber, dass die Stiftung Geld erwirtschaftet.«
    »Die Emissionen zu
senken wird uns aber einen warmen Regen in Sachen PR bescheren«, sagte Affenlight. »Und es
wird uns Zehntausende an Heizkosten einsparen. Die meisten unserer
Benchmark-Universitäten sind bereits in dem Bereich aktiv.«
    »Das ist doch Unsinn.
Wie soll uns das einen warmen PR -Regen bescheren, wenn unsere Benchmarks
da längst aktiv sind? Wenn wir nicht die Ersten sind, laufen wir einfach im
Rudel mit. Im Rudel mitzulaufen bringt uns keine PR . Da lehnen wir uns besser zurück und
lernen aus den Fehlern der anderen.«
    »Bruce, das Rudel ist
uns meilenweit voraus. Ökologisch verantwortliches Handeln ist längst
Rentabilitätsprämisse. Es wird zu einem der fünf wichtigsten
Entscheidungskriterien potentieller Studenten werden. Wenn wir uns dem nicht
stellen, wird man uns das bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bei jedem
Campusrundgang aufs Brot schmieren.«
    Gibbs seufzte, erhob
sich und humpelte zum Fenster. Der Management- und Consulting-Sprech, Begriffe
wie Rentabilitätsprämisse oder Entscheidungskriterium ,
waren der Kitt ihrer Beziehung – Affenlight versuchte so viele davon zu lernen
wie möglich und die, die er noch nicht kannte, intuitiv zu benutzen oder sogar
selbst welche zu erfinden. Gibbs starrte hinaus zu der Melville-Statue, die
über den See schaute. »Wenn es ein Entscheidungskriterium ist, werden wir uns
der Sache stellen«, sagte er. »Aber ich bezweifle, dass wir uns das in diesem
Jahr leisten können.«
    »Wir sollten loslegen«,
sagte Affenlight. »Die Erderwärmung wartet auf niemanden.«
    Das stimmte natürlich –
er hatte die Bücher gelesen, er hatte die Fakten auf seiner Seite – und dennoch
fürchtete er, dass Gibbs oder irgendjemand sonst den tieferen Grund für sein
Drängen entdeckte. Natürlich wollte er das Richtige tun, wollte Westish für das
kommende Jahrhundert fit machen, aber außerdem wollte er O. beweisen, dass er
in der Lage war, hier tatsächlich etwas zu bewegen. Ein Jahr, zwei, drei – die
in der Hochschulbürokratie gängigen Zeiträume entsprachen nicht seinen
Vorstellungen. Wenn es darum ging, jemanden zu beeindrucken, den man unter
Umständen zu lieben meinte, gab es zwischen einem Jahr und der Ewigkeit keinen
Unterschied.

8
    –
    Nachdem er sich von Gibbs verabschiedet hatte, durchquerte
Affenlight den Campus, so schnell ihn seine langen Beine trugen, nickte und
lächelte den Studenten zu, an denen er vorbeiging, und platzierte sich in der
obersten Reihe der Tribüne hinter dem Schlagmal, um sich die Partie Westish
Harpooners gegen Milford Moose anzusehen, ein Freundschaftsspiel im Vorfeld der
kommenden Saison. Vor der Abendsonne zogen Wolkenfetzen entlang, deren Schatten
nagetierartig über das Gras huschten. Rechts von ihm erhob sich die große
Betonschale des Football-Stadions, zu seiner Linken erstreckte sich der
Michigansee, der an diesem Nachmittag von einem tiefen schiefernen Blau war,
das exakt dem von Affenlights Badezimmerfußboden entsprach. Eine kalte,
kompromisslose Farbe – vor seinem Vier-Uhr-früh-Pinkeln zog er immer Hausschuhe
an. Im Moment standen die Gäste im Feld, die Spieler wirkten verloren inmitten
der großen gefrorenen Grasfläche. Aus der Entfernung konnte Affenlight nicht
erkennen, zu welcher Sorte sie gehörten: ob sie ihre einsamen Außenposten
mutlos oder mit Erleichterung besetzten.
    Selbst die geringfügige Erhöhung der Tribüne ermöglichte einen
schönen Ausblick über den Campus, dessen direkte Seelage schon immer eine der
Hauptattraktionen gewesen war. Affenlight atmete aus und sah zu, wie das CO 2 seiner
Lungen weißlich davonwaberte. Seine Ellbogen ruhten auf den Knien, die langen
knotigen Finger seiner Hände ineinandergeschoben. Unterarme, Hände und
Oberschenkel bildeten einen rhombusförmigen Teich, in den sein Schlips
hineinhing wie die Angelschnur eines Eisfischers. Den Schlips, der aus Seide
war, gab es im Campus-Buchladen für 48 Dollar, aber er bekam jeden Herbst eine
Schachtel mit sechs Stück gratis, weil die Krawatte das offizielle Logo des
Westish College trug. Eine Reihe winziger Figuren in Naturweiß, diagonal
angeordnet, posierten vor dem Marineblau

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