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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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und renommierte
Professoren beeindrucken. Wofür er sich auch bewarb, er bekam es. Bereits die
Andeutung einer möglichen Bewerbung ließ seine Kommilitonen davor
zurückschrecken. Der Erfolg erstreckte sich auch auf sein Privatleben. Er war
immer schon groß, breitschultrig und eine stattliche Erscheinung gewesen, nun
aber hatte er zudem ein Ziel, eine Aura und einen Namen, der ihm vorauseilte. Die Damen von Cambridge gehn ein und aus / In der Bow Street 50, Affenlights Haus . Das war ein anderer Spaß seiner
Kommilitonen, und es war die Wahrheit.
    Seine Dissertation
schrieb er in der Art Weißglut, die er sich für das Schreiben eines Romans
immer vorgestellt hatte – die Art Weißglut, in der sein Held Melville über
sechs zehrende Monate lang in einem Schuppen im westlichen Massachusetts den
größten Roman schrieb, den die Welt je gesehen hatte. Aus seiner Dissertation,
einer Untersuchung des Homosozialen und Homoerotischen in der amerikanischen
Literatur des 19. Jahrhunderts, wurde ein Buch, The Sperm-Squeezers (1987), und das
Buch wurde zu einer Sensation: akademisch einflussreich, weithin übersetzt und
von Times und Time besprochen (»geistreich und lesenswert«, »beschwört ein neues Zeitalter der
Literaturtheorie herauf«, »stellenweise genial«). Es war nicht Moby-Dick , verkaufte im ersten Jahr aber mehr Exemplare,
als das Buch es getan hatte, und wurde zu einem
Prüfstein des Kulturkampfs. Mit dreißig war Affenlight ein Niemand gewesen, mit
siebenunddreißig debattierte er mit Allan Bloom auf CNN .
    Genauso plötzlich war
er Vater geworden. Während er die Veröffentlichung des Buches vorbereitete, war
er mit einer Frau namens Sarah Coowe zusammen gewesen, einer Spezialistin für Infektionskrankheiten
am Marquette General Hospital. Sie waren sich in vielerlei Hinsicht ähnlich:
schick gekleidet, redegewandt sowie ihrer Karriere und ihren persönlichen
Freiheiten in einer Weise verpflichtet, dass jegliches wirkliches Interesse an
einer sogenannten Romanze von vornherein ausgeschlossen war. Sie blieben zehn
Monate zusammen. Ein paar Wochen nach der Trennung – sie war von Sarah
ausgegangen – rief sie an, um ihm zu sagen, sie sei schwanger. »Ist es meins?«,
fragte Affenlight. »Er oder sie«, antwortete Sarah, »gehört hauptsächlich mir.«
    Sie nannten das Kind
Pella – das war Affenlights Idee gewesen, obgleich Sarah natürlich das letzte
Wort gehabt hatte. Während der ersten paar Jahre versuchte Affenlight sich so
oft wie möglich freizuschaufeln, um Sarah und Pella in ihrem Häuschen am
Kendall Square zu besuchen, ausgerüstet mit teuren Gerichten zum Mitnehmen und
einem neuen Spielzeug. Er war fasziniert von seiner Tochter, von ihrer schieren
Existenz, ein wunderschönes Etwas, wo zuvor nichts gewesen war. Er hasste es,
sich von ihr zu verabschieden, und dennoch genoss er – er konnte einfach nicht
anders – die totale Ruhe seines eigenen Hauses, wenn er es betrat, die überall
verstreuten Bücher und Papiere und das Fehlen jeglicher Kindersicherungen.
    Kurz nachdem Pella drei
geworden war, erhielt Sarah ein Stipendium für eine Reise nach Uganda, und
Pella verbrachte den Sommer bei Affenlight. Im August kam die Nachricht: Sarahs
Jeep war eine Klippe hinuntergestürzt, sie war tot. Pella war nun Halbwaise und
er Vollzeit-Vater.
    Nach einer
obligatorischen Phase als Assistenzprofessor, während der eine Reihe von
Andeutungen und Gerüchten seitens der Hochschulverwaltung Stanford und Yale auf
Distanz hielten, bekam Affenlight eine Anstellung auf Lebenszeit. Ein weiteres
Großprojekt wie The Sperm-Squeezers brachte er nicht
noch einmal zustande, seine Vorlesungen aber waren die beliebtesten am
Institut, und die Doktoranden buhlten heftig um seine Gunst. Er besprach
literaturhistorische Bücher für den New Yorker , häufte
Auszeichnungen für seine Lehrtätigkeit an und studierte weiter. Er wurde Dekan
der englischen Fakultät und erhielt auf der Liste der begehrtesten Junggesellen
des Boston -Magazins einen Stammplatz. Nebenher zog er
Pella auf oder stand zumindest daneben, während Harvard sie aufzog; die gesamte
Universität schien das als persönliche Aufgabe zu betrachten. Er ruderte auf
dem Charles, um in Form zu bleiben. Er lud die Damenwelt von Cambridge in die
Oper ein. Er war der Meinung, dass das Leben immer so weitergehen würde.
    Dann, im Februar 2002, Pella ging mittlerweile in die achte Klasse, klingelte in seinem Büro
das Telefon. Affenlight, von dem, was man ihm anbot,

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