Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
Vom Netzwerk:
Mannschaft des All-American-Teams
gewählt wurde, und diesem Schuljungen aus Texas, den alle nur den Terminator
nennen, weil er aussieht wie im Labor zusammengebaut.« Dwight hielt inne. »Aber
nachdem ich Henry heute gesehen habe, hätte ich nicht übel Lust, ihn vor die
beiden zu setzen. Er ist nicht groß genug, um der Beste zu sein, er ist nicht
schnell genug, um der Beste zu sein, er hat weder den Körper noch die
Punktzahl, um der Beste zu sein. Er ist es einfach.«
    »Einfach herrlich
anzuschauen«, bemerkte L. P. hinter seiner Sonnenbrille.
    Dwight nickte, seine
blassblauen Augen und die rosa umrandete Nase glänzten in der Kälte. »Er durchschaut
das Spiel wie ein Major-League-Veteran. Und in der Abwehr ist er ohne
Konkurrenz. Heute stellt er Aparicio Rodriguez’ Hochschulsportverband-Rekord
über die meisten aufeinanderfolgenden fehlerlosen Spiele als Shortstop ein.
Einundfünfzig, und es werden sicher mehr.«
    Dwights BlackBerry
blökte. Er sprach mit gedämpfter, beinahe kindlicher Stimme und entfernte sich,
das Telefon fest ans Ohr gepresst. Er trug einen Ehering. Affenlight stellte
sich eine flotte Handelsvertreterin mit einem stattlichen Diamanten vor, die FSK -12-Sehnsüchte in ihr Mobiltelefon hauchte,
während sie im Stadtzentrum von St. Cloud im Bio-Supermarkt shoppte.
Möglicherweise hatte sie eine dieser komplizierten Babytragen vor die Brust
geschnallt. Vielleicht war sie auch schwanger und versuchte sich für eine
Babytrage zu entscheiden.
    Affenlight sah nicht
noch einmal zur Spielerbank, so als schmälere es womöglich den anfänglichen
Effekt, wenn er erneut der Versuchung nachgab. Vielleicht hatte er aber auch
einfach Angst. Jedenfalls wandte er jetzt seine Aufmerksamkeit Henry
Skrimshander zu, der zurück auf dem Feld war. Sein nadelgestreifter Dress
wirkte sackartig, aber irgendwie stand ihm das perfekt, beschwor die Essenz
seines Daseins, wie die Kleider der Ruderer und Ärzte auf den Lithographien von
Eakins, die in Affenlights Arbeitszimmer hingen. Die dunkelblauen Socken waren
halb hochgezogen, die Schuhe schmutzig-weiß. Vor dem Pitch stand er gelöst da,
Handschuh an der Hüfte, das runde Gesicht vom Wind verbrannt und offen, und
wies und feuerte seine Teamkollegen entspannt lächelnd an. Aber als der Ball
die Hand des Werfers verließ, war sein Gesicht plötzlich ausdruckslos. Die
Unterhaltung brach abrupt ab. In einer flüssigen Bewegung zog er sich den
Schirm seiner dunkelblauen Kappe mit dem von einer Harpune durchbohrten W in die Augen und ließ sich in eine katzenartige Hocke
fallen, die Oberschenkel parallel zum Feld, während der Handschuh den Boden
touchierte. Er wirkte geduckt, aber leichtfüßig, eher schwebend als fest
verwurzelt. Der Wurf wurde abgefälscht und landete hinter dem Schlagmann, da
aber hatte er längst zwei Schritte nach links gemacht, dorthin, wo er den
Zielort des Balls antizipiert hatte. Keiner der anderen Feldspieler hatte sich
auch nur einen Zentimeter bewegt.
    »Weitblick«, sagte
L. P. erneut.
    In der zweiten Hälfte
des achten Innings war Henry mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
zum letzten Mal mit Schlagen an der Reihe. Seit Affenlights Eintreffen hatte er
bereits zwei Doubles geschlagen, und der Pitcher aus Milford schien nicht
willens, ihm noch einen weiteren zu ermöglichen. Nach vier Fehlwürfen bekam
Henry einen Walk und sprintete zur First Base. Dwight und L. P. erhoben
sich gleichzeitig und packten ihre Laptops ein. »Wir haben genug gesehen«,
sagte Dwight. »Wir müssen zum Flieger.« Affenlight verabschiedete die Männer
mit einem warmen präsidialen Händedruck. Die kürbisfarbene Sonne hatte sich
selbst auf der Spitze der Kapelle von Westish gepfählt und zu bluten begonnen.
Er war so froh, dass Pella kam, überglücklich, aber er hatte auch Angst – es
war so lange her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten, und noch viel länger,
dass sie miteinander ausgekommen waren. Ein letztes Mal sah er zur Spielerbank
von Westish hinüber und spürte, wie ihn Traurigkeit überkam. Oh ich, oh Leben. Vielleicht, dachte er mit einem Anflug
von Melodramatik, war das Ganze nichts weiter als das letzte Japsen eines alten
Mannes. Eine späte Lebenskrise, ein zum Scheitern verurteiltes Intermezzo.
    Das Inning ging zu
Ende, und die Harpooners enterten das Feld für den Schlagdurchgang der Gäste zu
Beginn des neunten. Bevor er ging, kehrte Affenlight zur Tribüne hinter der
First Base zurück, um die letzten paar zitternden Fans zu

Weitere Kostenlose Bücher