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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Harpooners-Kappe. Henry knipste sie aus und verstaute die
Kappe-Lampe-Kombination in Owens Sporttasche. Dann hängte er sich je eine große
Tasche über die Schultern – Owens mit der schablonierten Nummer 0 auf der Seite und seine eigene mit der Nummer 3. Auf der Treppe fiel ihm Owens Brille ein. Er ließ die Taschen fallen,
kniete sich hin und tastete in der Dunkelheit den klebrigen Boden unter der
Bank ab: Kleine, schmuddelige Lachen Tabaksaft. Kaugummis mit Zahnabdrücken.
Die Plastikverschlüsse von Gatorade-Flaschen, deren stachelige Unterseiten sich
wie winzige Dornenkronen anfühlten. Schnöde alte Dreckklumpen. Owens
Brille war ganz bis ans hintere Ende der Bank katapultiert worden. Henry hob
sie auf und rieb die Gläser an seinem Trikot sauber. Ein Bügel hing lose an
seinem Scharnier.
    Als er und Schwartzy im
St. Anne’s anlangten, lief President Affenlight im Wartezimmer der
Intensivstation auf und ab, den Kopf gesenkt. Er durchmaß den
schachbrettgemusterten Fußboden in sechs Schritten, drehte um und lief wieder
los. Schwartz räusperte sich, um ihr Eintreten anzukündigen. Affenlights
Gesichtsausdruck, abgekämpft und entwaffnet, als er sich allein gewähnt hatte,
wurde augenblicklich durch ein präsidiales Lächeln ersetzt. »Michael«, sagte
er. »Henry. Schön, euch zu sehen.«
    Henry hätte nicht
gedacht, dass President Affenlight seinen Namen kannte. Auf den Gehsteigen des
kleinen Wohnheimkarrees begegneten sie sich häufig, weil die Phumber Hall
direkt neben der Dienstwohnung des Präsidenten lag, aber miteinander gesprochen
hatten sie nur einmal, als Henry an seinem allerersten Tag in Westish beim
Grillfest der Neuankömmlinge versucht hatte, sich in eine Zeltstange zu
verwandeln, während er seinen vierten oder fünften Hot-Dog mümmelte:
    »Guert Affenlight.« Der
ältere Mann nippte an seinem Drink und streckte ihm eine Hand entgegen.
    »Henry Skrimshander.«
    »Skrimshander?«
Affenlight lächelte. »Für dich gibt es wohl leider nur den
siebenhundertsiebenundsiebzigsten Schätzteil eines Schatzes!« Er trug eine
silberne Krawatte, die zu seinem Haar passte. Seine Ärmel waren an den
Unterarmen halb aufgerollt – die Art und Weise, wie sie absolut knitterfrei von
den Schultern fielen, die Bügelfalten frisch und makellos, zeugten von einem
Mann, der mit seiner Umgebung im Reinen war. Als Sophie ihn gebeten hatte,
Westish zu beschreiben, war das Erste, was ihm in den Sinn kam, Affenlights
perfekt aufgerollte Ärmel gewesen.
    »Gibt es Neuigkeiten?«,
fragte Schwartz.
    »Im Krankenwagen ist er
für einen Moment aufgewacht«, sagte Affenlight. »Er war völlig bewusstlos, und
dann klappten plötzlich seine Augen auf. Er sagte April .«
    »April?«
    »April.«
    »April«, wiederholte
Henry.
    »Der grausamste Monat«,
sagte Schwartz. »Besonders in Wisconsin.«
    »April.« Henry
zergliederte das Wort in Klangpartikel, die so klein waren, dass sie vollkommen
bedeutungslos wurden, so als habe er sich in jene weiten Zwischenräume begeben,
die die festen Bestandteile eines Moleküls voneinander teilen. »Fängt morgen
an.«
    Coach Cox betrat das
Wartezimmer. Wie Henry und Schwartz hatte auch er seine
Harpooners-Nadelstreifen noch nicht ausgezogen. Er trug in jeder Hand zwei
prall gefüllte weiße Tüten, auf denen die goldenen Bögen prangten. »Irgendwas
Neues?«
    »Er ist gerade bei der
Computertomographie«, ließ Affenlight ihn wissen. »Sie wollen sichergehen, dass
er keine Gehirnblutung hat.«
    »Der verdammte Dunne.«
Coach Cox schüttelte den Kopf. »Wenn ihm irgendwas zustößt, bring ich ihn um.«
Er knallte die Tüten auf den runden Tisch in Holzoptik, der in der Ecke stand.
»Ich hab Abendessen besorgt.«
    Schwartz und Coach Cox
machten es sich am Tisch bequem und packten ihre Big Macs aus. Henry liebte
Fastfood, aber heute Abend wurde ihm flau von dem Geruch.
    Er ließ sich auf einem
der steifen Sofas nieder und schaute zu dem Fernseher, der hoch oben an der
Wand hing. Der Bildschirm zeigte eine Statue des gekreuzigten Jesus, in
Nahaufnahme und von einem breiten Streifen Licht beleuchtet. Das Kinn ruhte auf
der knochigen, von einer Toga bedeckten Schulter. ORGELMUSIK , lautete die Einblendung. Schnitt auf
den Blick aus einem Doppeldecker hinunter auf eine Äquator-Insel: saphirblaues
Wasser, rosa Strand, feuerwerkartige Palmkronen. SÜDSEERHYTHMEN.
    »Hier«, sagte Coach
Cox. »Damit du bei Kräften bleibst.«
    Henry hielt die
Schachtel mit den Pommes einfach nur in der Hand. Das

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