Kunst des Feldspiels
farbige Licht des
Fernsehers und die schnellen, ruckartigen Schnitte halfen seinem Magen nicht
gerade. Seit Oktober, dem Ende der World Series, hatte er keinen Fernseher mehr
gesehen.
President Affenlight
stellte das Auf- und Abgehen ein und setzte sich zu ihm auf die Couch. Henry
schob den wabbeligen roten Karton in seine Richtung. Mit einem dankenden Nicken
zog Affenlight ein Kartoffelstäbchen heraus. Die Geste erinnerte ihn an seine
Tage als Raucher, die – mehr oder weniger – mit seiner Rückkehr nach Westish zu
Ende gegangen waren. Bevor er die Stelle angetreten hatte, war er auf Wunsch
seiner neuen Versicherung bei einer Kontrolluntersuchung gewesen, seiner ersten
seit fünfzehn Jahren, genau in diesem Krankenhaus. Er hatte stillschweigendes
Lob und Anerkennung vom Doktor erwartet; noch vor kurzem hatte er bei einem
Trainingsrennen als Gast in einem Harvard-Achter mitgerudert und das Team kaum
einen Schlag gekostet. Was er stattdessen bekam, war ein vehementer, statistiklastiger
Vortrag. Was seine Familiengeschichte betraf, hätte es nicht mehr Alarmsignale
geben können – sein Vater hatte zwei Herzinfarkte erlitten, sein älterer Bruder
George war mit dreiundsechzig bei einem sogenannten kardiologischen Akutereignis
gestorben. Mit einem Cholesterinspiegel von zweihundert lag er mitten in der
Gefahrenzone. Dass er seit Jahren drei Päckchen pro Woche rauchte, war ein
Selbstmordbekenntnis. Der Doktor, der den Pathos all dessen gezielt
hochgespielt hatte, um Affenlight ein Versprechen zu entlocken, nicht nur mit
dem Rauchen aufzuhören, sondern auch den Konsum von rotem Fleisch und Alkohol
zu reduzieren, entließ ihn mit Rezepten für Lipitor, TriCor und Toprol- XL .
Verurteilt zu einem Leben voller Pillen. Zusätzlich sollte er täglich eine
Baby-Aspirin nehmen.
Das Schlimmste am
Verzicht war nicht der Verlust der Laster an sich, sondern die Tatsache, dass
irgendein dahergelaufener Jungspund von Arzt auf dem Verzicht bestanden hatte.
Baby-Aspirin! Offenkundig wurde man als Mann über fünfzig so behandelt, selbst
wenn man kerngesund war. Georges Tod hatte Affenlight traurig gemacht, ihm aber
keine große Angst eingejagt. George war achtzehn Jahre älter als er, und ihre
Beziehung war immer schon distanziert und eher der zwischen Onkel und Neffe
ähnlich gewesen. Aber dass sie die gleichen genetischen Voraussetzungen
mitbrachten, traf natürlich zu, und nach einer Phase gewissermaßen jugendlichen
Widerstands beschloss Affenlight, sich den Anweisungen des Arztes zu fügen,
beziehungsweise weitestgehend zu fügen. Fünf Tage die Woche nahm er seine
Pillen und sein Baby-Aspirin, im Sommer mit längeren Unterbrechungen, als sei
das ein Job, bei dem er Auszeiten brauchte. Das Rauchen gab er auf, bis auf
eine einzelne heimliche Zigarette hier und da, und er überlegte es sich gut,
bevor er ein Steak oder einen zweiten Scotch bestellte, obwohl speziell beim
Scotch reifliches Überlegen und Ablehnen zwei Paar Schuhe waren. Ob er sich
wegen alldem nun besser fühlte, konnte er nicht sagen, aber gut fühlte er sich
jedenfalls.
Im Fernsehen kamen
jetzt junge Männer in kurzärmeligen schwarzen Hemden und Pastorenkragen die
Stufen eines Turboprop-Flugzeugs hinunter und blinzelten ins grelle
Sonnenlicht. HERZLICH WILLKOMMEN ZU GLAUBENSPRÜFUNG , sagte der
Moderator der Show, die Hände kontemplativ in den Taschen seiner
Dreiviertelhose vergraben. bEVOR DIESE ZWÖLF MÄNNER
DIE PRIESTERWEIHE EMPFANGEN, MÜSSEN SIE SICH ETWAS VIEL VERLOCKENDEREM STELLEN
ALS VIERZIG TAGEN IN DER WÜSTE. Schnitt auf farblose Jahrbuchfotos von Mädchen in Schottenröcken und
mit Zahnspangen. DIESE JUNGEN DAMEN HABEN ALLE EINE
KATHOLISCHE SCHULE BESUCHT. ALS EINE WICHTIGE EIGENSCHAFT IHRES ZUKÜNFTIGEN
MANNES GEBEN SIE ALLE »GLÄUBIG« AN. ACH JA, UND EINS NOCH – farbtriefende, blitzlichtartig hintereinandergeschnittene
Aufnahmen von gebräunten und mit Schweißperlen bedeckten Bäuchen, Ausschnitten
und Schenkeln – SIE SIND ALLE RICHTIG, RICHTIG
SCHARF.
Sind
sie das?, fragte
sich Affenlight. Die Mädchen/Frauen flitzten in unterschiedlichen Stadien prophylaktischer
Entblößung um ein Strandhaus herum, schlängelten sich in Sommerkleider hinein
und schüttelten ihr Haar. Er nahm sich noch eine Fritte. Sie besaßen eine
Fassade des Scharfseins, das sicher, das Schimmern sexueller Gesundheit. Man
konnte sie blitzsauber, chromatisch, wohlgeformt, sonnenverwöhnt und, ja,
selbst scharf nennen – aber nie reizend, nicht auf
die Art,
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