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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Arm.
    Affenlights
Mobiltelefon zitterte an seinem Schenkel. Er kannte die Nummer mit 312-Vorwahl nicht, wusste aber, wer es war. Er machte eine entschuldigende
Geste in Richtung der Ärztin, die von ihr unbemerkt blieb, und ging in den
Eingangsbereich. »Pella. Kindchen. Wo bist du?«
    »Chicago. Ich hab
meinen Anschlussflug erwischt. Wir steigen gleich ein, ich müsste also
pünktlich ankommen.« Durch das Rauschen des Kartentelefons klang ihre Stimme
dünn und krächzend. »Ich dachte, wir könnten vielleicht zu Bau Kitchen gehen.«
    Das war Pellas
Lieblingsrestaurant in Milwaukee, wo sie auch ihren sechzehnten Geburtstag
gefeiert hatten. Wäre Affenlight bereits die I-43 Richtung Flughafen entlanggezischt,
eine italienische Oper im CD -Spieler des Audi, hätte ihm der
Vorschlag, der wie eine Friedensgeste wirkte, Auftrieb gegeben. Stattdessen kam
er jetzt auf jeden Fall zu spät und konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob
Pella seine Nachlässigkeit oder das, was wie Nachlässigkeit erscheinen musste,
bereits gewittert und sich entschieden hatte, ihn mit besorgten Nachfragen zu
strafen. »Das ist eine tolle Idee«, sagte er. »Aber ich werde mich leider etwas
verspäten.«
    »Oh.«
    Enttäuschung,
Brüchigkeit, die Phrase weitermachen, wo wir aufgehört haben – all das und vieles mehr strömte durch die Stille der Leitung. »Ich bin im
Krankenhaus«, sagte Affenlight in dem Versuch, es abzuwehren. »Am College hat
es einen Unfall gegeben. Ich komme, so schnell ich kann.«
    »Klar«, sagte Pella.
»Wann es dir passt.«
    Als er nach draußen
hetzte, hielt Affenlight noch kurz am Krankenhauskiosk, um Zigaretten zu kaufen
– Parliaments, seine alten Wegbegleiter. Ein Krankenhaus, das Zigaretten
verkaufte: Im Kopf drehte und wendete er den Gedanken, fragte sich, ob er
Verdammnis oder Hoffnung verhieß, während er der grauhaarigen Frau hinter dem
Tresen einen Zwanziger hinwarf. Er stopfte das Päckchen in die Tasche und
versuchte, ohne sein Wechselgeld zu gehen, aber sie zitierte ihn zurück und
bestand darauf, ihm mit quälender Langsamkeit, die womöglich auch Protest
bedeutete, einen Zehner, fünf Einer und eine Reihe von Münzen herauszugeben.
Coach Cox fuhr ihn zu seinem Auto, und dann donnerte er die leere Interstate
hinunter, Le Nozze di Figaro voll aufgedreht, die
Fenster offen.

10
    —
    Pella verließ San Francisco lediglich mit einer labberigen
Korbtasche mit Rohrstockgriff, die die Überreste ihres letzten Strandausflugs
vor neun Monaten enthielt, einen Haufen nutzloses Zeug – Sonnenbrille, Tampons,
Weingummi, Sand –, dem sie nichts hinzugefügt hatte außer ihrem Portemonnaie
und einem zum ernsthaften Schwimmen bestimmten schwarzen Badeanzug.
    Schon als das Flugzeug den schmalen Industriekorridor hinaufglitt,
der Chicago mit Milwaukee verband, und sich unterhalb des Steuerbordfensters
die Schwärze des Michigansees ausbreitete, bereute sie, keinen Koffer
mitgenommen zu haben. Das war die Art überzogener Reaktion, für die sie,
zumindest in ihrer Vorstellung, bekannt war und die sie eigentlich längst
abgelegt haben sollte. Sie hatte womöglich gedacht, es würde die Trennung von
David sauberer, einfacher, entschiedener machen: Siehst du, ich brauche dich nicht. Ich
brauche gar nichts. Nicht einmal Unterwäsche. Sie hatte
verdrängt, dass es in der Nähe der sogenannten Stadt Westish, Wisconsin, nicht
einen vernünftigen Laden gab.
    Wie dämlich sie sich
vorkam, dass es ihr so schlecht ging, dass sie das Gefühl hatte, ihr ganzes
Leben liege in Trümmern, ohne dass es dazu eine Geschichte zu erzählen gäbe.
Sicher, rein äußerlich betrachtet gab es eine Geschichte, oder es würde daraus
einmal eine werden … Ja, ich war mal verheiratet. Ich habe die Schule abgebrochen,
bin mit einem Architekten durchgebrannt, der an unserer Privatschule ein paar
Vorlesungen hielt. Ich war im letzten Schuljahr, gerade neunzehn geworden.
David war einunddreißig. Am Ende seiner Woche an der Tellman Rose schlief ich
mit ihm. Irgendeine von uns hätte auf jeden Fall mit ihm geschlafen, und als
Alpha-Mädchen Nr. 1 hatte ich Vorrang. Ich war auch vorher
schon mit älteren Typen ausgegangen – Jungs von der Highschool, als ich auf der
Junior High war, welchen vom College, als ich an der Tellman Rose war, und ein
paar der Marke darbender Künstler bei Abstechern nach Boston oder New York –
aber David war einfach eine neue Erfahrung. Ein echter Mann. Punkt.
    Ein ziemliches
Würstchen eigentlich – launisch,

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