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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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hatten, in nördlicher Richtung durch weites, flaches Ackerland, auf
dem noch kein Saatgut ausgebracht war. Wolken verdunkelten Mond und Sterne und
in Richtung Süden herrschte wenig Verkehr. Rechter Hand lag der Michigansee,
bestimmte unsichtbar den Verlauf der Straße. Pella erwartete ein umgehendes
Verhör – Wie lange bleibst du? Hast du dich von David
getrennt? Gehst du wieder zur Schule? –, aber ihr Vater wirkte besorgt,
schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Sie wusste nicht, ob sie
erleichtert war oder gekränkt. Die Fahrt über schwiegen sie die meiste Zeit,
und wenn sie sprachen, dann einsilbig, eher wie Figuren bei Carver als echte
Affenlights.
    Die Dienstwohnung des
Präsidenten, behaglich in akademisch dunklem Holz und Leder gehalten, lag im
obersten Stockwerk der Scull Hall, in der südöstlichen Ecke des Kleinen Hofs.
Die Westish-Präsidenten des 20. Jahrhunderts hatten alle im Ort
gewohnt, in irgendeinem der eleganten weißen Häuser, die den See flankierten,
Affenlight aber, der erste Präsident des 21., hatte sich
entschieden, die Räumlichkeiten wieder im ursprünglichen Sinne zu nutzen und
inmitten der Studenten zu wohnen. Er war ja schließlich allein. Dadurch waren
Büro und Wohnung jetzt lediglich durch eine Treppe voneinander getrennt, und er
konnte im Morgengrauen hinuntertapsen und eine Weile ungestört arbeiten, in
welchem Aufzug auch immer, bevor Mrs. McCallister kam und die Termine
begannen.
    Er goss ihnen beiden
einen Whiskey ein, verdünnte seinen mit Wasser. »Das ist ja jetzt wohl legal«,
sagte er, als er ihr das Glas reichte.
    »Und macht auch nur
noch halb so viel Spaß.« Pella machte es sich in einem eckigen Ledersessel
bequem und zog die Knie an die Brust. »Also, wie läuft das Geschäft?«
    Affenlight zuckte mit
den Schultern. »Geschäft ist Geschäft«, sagte er. »Ich habe keine Ahnung, warum
sie dafür noch immer Professoren der Englischen Literatur anstellen. Sie
sollten besser Typen von Goldman Sachs anheuern. Ich bin froh, wenn ich am Tag
zehn Minuten über etwas anderes als Geld nachdenken kann.«
    »Was macht die
Gesundheit?«
    Er klopfte sich gegen
das Brustbein. »Wie ein Stier«, sagte er.
    »Nimmst du deine
Medikamente?«
    »Ich mache jeden Tag
meinen Spaziergang am See«, sagte Affenlight. »Das ist besser als Medikamente.«
    Pella warf ihm einen
mütterlich-bekümmerten Blick zu.
    »Ich nehme sie«, sagte
er. »Ich nehme sie ja. Aber du weißt, was ich von Medikamenten halte.«
    »Nimm sie einfach«,
sagte Pella. »Und, triffst du dich mit jemandem?«
    »Oh, na ja.« Mehr als treffen war es tatsächlich nicht. »Sagen wir, es gibt nicht
gerade viele umwerfende Frauen in diesem Teil der Welt.«
    »Sollte es sie geben,
wirst du sie sicher zur Strecke bringen.«
    »Danke«, sagte
Affenlight trocken. »Und du? Wie geht’s David?«
    »David geht’s gut. Aber
es wird ihm wohl weniger gut gehen, wenn er merkt, dass ich weg bin.«
    »Er weiß nicht, dass du
hier bist?« Dieses Geständnis übertraf das fehlende Gepäck noch. Affenlight
widerstand dem Verlangen, aufzustehen und eine Siegesfaust in die Luft zu
recken.
    »Er ist in Seattle.
Geschäftlich.«
    »Verstehe.«
    Affenlight hatte in
letzter Zeit den Eindruck, dass die Studenten immer jünger wurden. Vielleicht
wurde er einfach alt, oder die Phase des Heranwachsens dehnte sich immer weiter
aus, proportional zur wachsenden Lebenserwartung. Colleges waren zu Highschools
geworden, die vorbereitenden Schulen zu den Colleges selbst. Pella hingegen
wollte, wie immer, ihresgleichen noch überholen. Sie sah naturgemäß älter aus
als in seiner Erinnerung – die Wangen weniger rund, die Gesichtszüge
ausgeprägter –, aber sie sah auch älter aus als dreiundzwanzig. Sie sah aus,
als hätte sie einiges durchgemacht.
    »Bist du müde?«, fragte
er, ermahnte sich, bloß nicht Du siehst müde aus zu
sagen.
    Sie zuckte mit den
Schultern. »Ich habe in letzter Zeit nicht viel geschlafen.«
    »Nun, das Bett im
Gästezimmer ist toll.« Fehler: er hätte in deinem Zimmer sagen müssen. Oder hätte das übereifrig geklungen? Egal, weiter im Text: »Und
die Dunkelheit hier ist unvergesslich. Komplett anders als in Boston. Oder in
San Francisco.«
    »Prima.«
    »Du kannst so lange
bleiben, wie du willst. Natürlich.«
    »Danke.« Pella leerte
ihren Whiskey und schaute auf den Boden des Glases. »Kann ich dich noch um
einen Gefallen bitten?«
    »Schieß los.«
    »Ich würde gern ein
Studium beginnen.«
    »Wirklich?«

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