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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Henry, man sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Dein Agent muss dein verlängerter Arm sein. Genau wie dein Handschuh, wenn du
draußen auf dem Feld stehst. Vertraust du deinem Handschuh, Henry?«
    »Klar.«
    »Und genauso musst du
deinem Agenten vertrauen können. Dein Agent setzt, wenn er gut ist, nicht bloß
die Verträge auf und verschwindet dann. Er wird zu einem zweiten,
finanzorientierten, mit jedem kleinsten Detail vetrauten Du. Damit du – das Henry-Du, nicht das Miranda-Du – dich voll und
ganz auf Baseball konzentrieren kannst. Und das Studium. Kannst du mir so weit
folgen, Henry?«
    »Ich glaube schon.«
    »Bist du schon von
anderen angesprochen worden, die Interesse bekundet haben, dich zu vertreten?«
    »Ähm, nein.«
    »Kommt noch. Glaub mir.
Allein die Tatsache, dass du gerade mit Miranda Szabo telefonierst, bedeutet,
dass die ganze Welt anrufen und dir anbieten wird, dich zu vertreten. Ist jedes
Mal das Gleiche.«
    »Woher sollen die denn
wissen, dass Sie mich angerufen haben?«
    »Sie werden’s einfach«,
sagte Miranda Szabo und seufzte angesichts der Vorhersehbarkeit des Ganzen.
»Diese Menschen sind Tiere.«
    Henrys Gedanken
kreisten während der nächsten paar Stunden in eigenartigen Umlaufbahnen,
während er dem Ächzen lauschte, das aus den uralten Heizungsschächten der
Phumber Hall kam. Es war komisch, Owens Atem nicht zu hören. Es wurde
Mitternacht, ein Uhr, zwei Uhr, und auch wenn er nicht wirklich wach war,
bemerkte er, wie Zeit verging, registrierte das viertelstündliche
Glockenschlagen der Kapelle. Anders als die meisten seiner Kommilitonen, die
die Nacht durchmachten und ihre frühen Vorlesungen verschliefen, hatte er kaum
je etwas von dieser Nachtzeit mitbekommen. Er trainierte einfach zu hart und
wachte zu früh auf, und wenn er mal, was ganz selten vorkam, am Wochenende bei
einer Biersause dabei war, lehnte er an der Wand und hielt höflich einen Becher
Bier, der auf dem Nachhauseweg in den Büschen landete. Die Fenster standen
offen, denn in ihrem Mansardenzimmer war es immer warm. Aus dem Hof unten
flirrten ab und an Stimmen herauf, und gelegentlich ließ ein Windstoß die
Scheiben zittern. Letzterer drang in Henrys Kopf ein und wurde dort zu dem
Windstoß, der dazu beigetragen hatte, seinen Wurf vom Kurs abzubringen. Er
wünschte, er hätte Owen heute Abend sehen können. Nur einen Moment lang, nur um
einen kurzen Blick auf ihn werfen zu können, wie er in seinem Zimmer auf der
Intensivstation schlief. Dann hätte Henry gewusst, dass es ihm gut ging. Das
vom Doktor zu hören war eine Sache, es selbst zu sehen eine andere. In Henrys
Halbträumen starrte Owen ihn an, in jenem eingefrorenen Moment, bevor er auf
den Boden vor der Spielerbank sackte, und seine weit aufgerissenen Augen
fragten: Warum?
    Warum war Henrys Erfahrung nach eine Frage,
die sich ein Sportler nicht stellen sollte. Ja, warum hatte er einen so
schlechten Wurf gemacht, so schlecht, dass Rick nicht einmal mehr drangekommen
war? Wegen der Scouts? Hatte er sich wegen der Scouts verkrampft? Nein, das ergab
keinen Sinn. Zum einen waren sie gar nicht mehr dagewesen, sie waren nach dem
achten gegangen, was er gesehen hatte. Außerdem hatte er keine Angst vor
Scouts, zumindest nicht spürbar. War es, weil er Aparicios Rekord nicht
brechen, nicht derjenige sein wollte, der Aparicios Namen aus den Annalen
tilgte, weil Aparicio Aparicio war und er bloß Henry? Vielleicht. Aber dann
hätte er zumindest den Rekord einstellen können, bevor er patzte – dann hätten
ihre Namen nebeneinander gestanden. Jetzt hatte er
den Rekord eingestellt, der Fehler hatte nicht gezählt. Ihn zu brechen, dazu
hatte er im nächsten Spiel Gelegenheit. Falls er nicht wollte, würde er wieder
patzen müssen. Und womöglich würde er ja wieder patzen. Deswegen fragte man
nicht, warum. Das Warum machte einen bloß fertig.
Solange es Owen gut ging, sah die Welt morgen früh sicher schon wieder ganz
anders aus.
    Schwartz würde sich
freuen, von Miranda Szabo zu hören. Würde begeistert sein. Außer sich. Henry
hatte sich Sorgen gemacht, was das kommende Jahr wohl bringen würde, wenn
Schwartz seinen Abschluss gemacht hatte und irgendwo an der Ost- oder Westküste
Jura studierte. Womöglich würde er dann auch weg sein, in der Minor League, ein
Jahr früher als geplant, mit Geld in der Tasche. Über den Abschied nachzudenken
hatte etwas Bittersüßes, er liebte Westish, aber Baseball war Baseball, und es
passte, dass er und Schwartz

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