Kunst des Feldspiels
verschränkt, während
hinter ihm der Hund kläffte. »Seh ich vielleicht aus wie vierzehn?« Verwirrt
ging die Frau, und auch wenn keine großen Nachforschungen nötig gewesen wären,
um ihn als Lügner zu entlarven, ließ sie sich nie wieder blicken.
Die Familie seiner
Tante Diane lebte in der Nähe, und Schwartz aß oft dort zu Abend. Im Nachhinein
kam es ihm merkwürdig vor, dass Diane ihn einfach so allein wohnen ließ,
andererseits jedoch hatten sie und ihr Mann drei kleine Kinder und eine zu
kleine Wohnung, und außerdem verwechselten nicht nur Fremde Schwartz’
Körpergröße mit Volljährigkeit. Mit dem Geld, das seine Mutter zur Seite gelegt
hatte, konnte er seine Miete bestreiten.
Seine Schule – im Süden
Chicagos, in der Nähe der Carr-Heights-Wohnsilos – hatte an jedem Eingang
Metalldetektoren, und auf den Gängen patrouillierten bewaffnete Wachmänner. Die
Räume waren fensterlos, und Schwartz’ massiger Körper passte kaum hinter die am
Boden festgeschraubten Pulte. Obwohl er weiß war, beäugten seine Lehrer ihn
vorsichtig. Ihr Hauptinteresse schien darin zu bestehen, irgendeine
unbestimmte, aber unmittelbar bevorstehende Katastrophe abzuwenden. DIE KATASTROPHE VERHINDERN wäre überhaupt das perfekte Schulmotto gewesen – gesetztes Ziel der
Einrichtung war es, soweit Schwartz das sehen konnte, dreitausend potentielle
Irre so lange mit Langeweile zu sedieren, bis eine Abfolge von Geburtstagen sie
in Erwachsene verwandelt hatte. Schwartz hielt es nicht aus, außerdem
schrumpfte sein Bankkonto. Im November seines zweiten Jahres, gleich nach dem
Ende der Football-Saison, begann er, dem Unterricht fernzubleiben. Er fand
einen Job in einer Gießerei – er war inzwischen 1,83 Meter groß,
so groß wie heute, und die Leute fragten ihn eher danach, was er beim
Bankdrücken draufhatte, als nach seinem Alter. Er arbeitete in der
Nachmittagsschicht, lernte Gabelstapler fahren und wuchtete tonnenweise
Metalllegierungen von einer Ecke der Werkstatt in die andere. Nach Ablauf der
Probezeit verdiente er 13,50 Dollar die Stunde, plus Überstunden.
Manchmal trank er bis zum Morgengrauen alleine Mickey’s oder irgendein Billigbier.
An anderen Abenden lud er ehemalige Mitschülerinnen in Fischrestaurants mit
Blick auf den Michigansee ein. Wenn er früh genug aufwachte, ging er in die
Bibliothek, um die Finanznachrichten zu lesen – wenn er einmal ein paar
Tausender zusammenhätte, so sein Plan, könnte er in die Nachtschicht wechseln
und tagsüber im Internet Börsengeschäfte abwickeln.
Niemand kommentierte
seine Abwesenheit, bis zum darauffolgenden August, als die Football-Saison
nahte. Feiner Nieselregen benetzte das Pflaster, als er die Werkstatt verließ
und zu seinem Auto ging – ein ausladender, rostzerfressener Buick ohne
Stoßstange, den er von seinen ersten paar Gehältern gekauft hatte. Er war
verschwitzt und mit Feilstaub bedeckt. Er kletterte in den Buick und tastete
unter dem Sitz nach einem Bier. Es war Donnerstag, das Wochenende stand vor der
Tür. Er zog eine warme, mit Fusseln übersäte Dose hervor. Gerade als er sie
aufriss, klopfte einer der Assistenztrainer seiner Highschool-Mannschaft ans
Beifahrerfenster. Schwartz lehnte sich hinüber und entriegelte die Tür. Der
Coach klemmte sich auf den Sitz und fragte Schwartz, was zum Henker er hier
eigentlich mache. Ob er nicht der Meinung sei, dass es Zeit werde, sich nicht
länger wie ein verdammter Bohnenfresser zu benehmen und seinen Arsch zurück in
die Schule zu verfrachten?
Schwartz schaute auf
die Sweatshirt-Tasche des Trainers, die sackartig herunterhing, offenkundig
verursacht durch die scharfkantige Massigkeit einer Schusswaffe. Er richtete
sich hinter dem Lenkrad auf und sah dem Trainer geradewegs in die Augen. »Die
Schule ist ein Gefängnis«, sagte er.
»Und das hier nicht?«
Der Coach lachte leise und wies mit dem Daumen auf das langgestreckte, flache
Gebäude der Gießerei. Er gehörte zu den Assistenztrainern; Schwartz, der im Jahr
zuvor Kapitän der Nachwuchsmannschaft gewesen war, konnte sich nicht einmal an
seinen Namen erinnern.
»Das ist bloß ein
Drecksloch«, sagte Schwartz. »Kein Gefängnis.«
Der Trainer zuckte mit
den Schultern. Der Umriss der Pistole hob und senkte sich auf seinem Bauch.
»Meinetwegen«, sagte er. »Aber dieses Drecksloch hat kein Football-Team.« Er
kletterte aus dem Wagen, und weg war er. Schwartz trank sein Bier aus, während
sich die klapprigen Wischerblätter durch den strömenden Regen
Weitere Kostenlose Bücher