Kunst des Feldspiels
Flasche und
unterbrach sie.
»Ich wollte dich
fragen, ob du heute Abend Zeit hast.«
»Zeit? Gott bewahre,
nein. Nach der Chorprobe arbeite ich noch freiwillig in der Suppenküche, während
ich gleichzeitig meine Hausarbeit zum Thema Rache im Hamlet zu Ende schreibe. Nach dem Verbindungstreffen mit den Alpha Beta Omegas trifft
sich meine Bulimie-Selbsthilfegruppe auf einen Nachtisch, und dann habe ich
eine Verabredung mit dem Kapitän der Football-Mannschaft.«
»Ich bin der Kapitän
der Football-Mannschaft.«
Eine lange Pause
folgte.
»Oh. Na ja, wenn das so
ist. Wann holst du mich ab?«
»Du bist ja schon voll auf das College eingestellt«, bemerkte
er, als er ihr das Sweatshirt abnahm und es im Eingangsbereich des Carapelli’s
auf einen hölzernen Haken hängte. »Ein echter Harpooner.«
Pella sah an ihrem Outfit hinab: dunkelblaues Westish-Polohemd unter
einem eierschalenfarbenen Westish-Pullover und dieselbe Jeans, die sie im
Flugzeug getragen hatte. »Sorry«, sagte sie. »Groß war die Auswahl im Buchladen
nicht gerade.«
»Nein, nein«, sagte
Mike. »Du siehst toll aus.«
»Danke. Also, kann ich
dich mal was fragen?«
»Schieß los.«
»Trägst du immer einen
Bart?«
Mike befühlte seine
Wange, während er in die Nische rutschte. »Er ist als Ansporn gedacht«, sagte
er. »Während ich meine Arbeit fertigschreibe. So eine
Ich-bin-so-mit-Schreiben-beschäftigt-dass-ich-nicht-mal-zum-Rasieren-komme-Kiste.«
»Und, funktioniert es?«
»In letzter Zeit nicht
so richtig. Du magst Bärte wohl nicht besonders.«
Pella zuckte mit den
Schultern. »Mein Ex hat einen.«
»David.«
»Woher weißt du das
denn?«
»Ich habe gehört, wie
du ihn deinem Vater gegenüber erwähnt hast. Als wir telefoniert haben.«
Eine Frau watschelte
über den roten Teppich auf ihren Tisch zu, die Arme zum Gruß ausgebreitet. »Hab
schon gedacht, ihr Jungs taucht ga-« Als sie Pella sah, ließ sie einen Kiekser
los und wirbelte zu Mike herum, als wollte sie ihn vor Unheil bewahren. »Wo ist
denn mein Henry?«
»Henry lässt Sie lieb
grüßen, Mrs. Carapelli«, sagte Mike. »Er musste heute Abend lernen.«
»Lernen! Das hört sich
aber nicht nach meinem Henry an.« Mrs. Carapelli warf Pella einen
verächtlichen, formellen Ich-bin-für-Ihren-Tisch-zuständig-Blick zu, während
sie ihr eine Speisekarte hinschob. Die Karte schien an sich schon eine
Beleidigung darzustellen – Mike gab sie keine. »Wünschen Sie etwas zu trinken?«
Pella sah Mike an.
»Sollen wir einen Wein bestellen?«
»Ähm … klar.«
»Müssen wir nicht.«
»Doch, doch. Eine
Flasche von Ihrem besten Weißwein.« Mike klopfte Mrs. Carapelli
beschwichtigend auf die Schulter, als sie auf ihrer kräftigen Ferse kehrtmachte
und davonstampfte.
»Mrs. Carapelli scheint
an neuer Kundschaft nicht sonderlich interessiert«, sagte Pella.
»Nimm’s nicht persönlich.
Henry und ich kommen seit Jahren jeden Freitag her.«
»Aber heute Abend
musste er lernen?«
Mike stützte einen
Ellbogen auf den Tisch und fuhr sich mit seiner Riesenpranke über die
Geheimratsecken. »Ich kann gerade nicht so richtig mit ihm reden.«
»Erzähl mal«, sagte
Pella. Aber als Mike – zunächst nur zögerlich – zu sprechen anfing,
beschleunigte sich ihr Herzschlag auf die ihr schon bekannte, furchtbare Weise.
An der Bar hielt ein Pärchen in den Dreißigern Händchen, die Beine unterhalb
der Hocker ineinander verknotet. Die Frau trug ein rotes Kleid, das sich mit
dem riesigen, protzig gerahmten Ölgemälde über ihren Köpfen biss, auf dem
dunklere Rot- und Goldtöne in dicken, das Licht reflektierenden Schichten zu
einer schlechten Van-Gogh-Imitation zusammengeschmiert waren. Pella spürte, wie
sich an ihrem Haaransatz kleine Schweißperlen bildeten. Nicht jetzt, dachte
sie. Ihre Panikattacken waren in den letzten Monaten weniger schlimm geworden,
und sie war in der Lage sie auszuhalten, aber dies war alles andere als der
richtige Zeitpunkt. Sie erwog, sich zu entschuldigen und auf die Toilette zu
gehen, aber das wäre unhöflich gewesen, da Mike gerade mittendrin war und sich
immer mehr in Fahrt redete, und außerdem schien ihr die Toilette unfassbar weit
entfernt zu sein, quer durch das Lokal, einen Flur entlang, um eine Ecke herum
und durch eine Tür, zudem würde es dort mit Sicherheit ekelhaft nach Zitrone
riechen, Zitrone gemischt mit Scheiße …
Mike hatte aufgehört zu
reden und den Kopf besorgt zur Seite geneigt. »Alles okay bei dir?«
Pella nickte,
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