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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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drückte
unter dem Tisch die Handflächen aneinander.
    »Bist du sicher? Du
siehst ein bisschen blass aus.« Er sah sie mit diesen lichtverströmenden Augen
an und legte ihr die Hand auf den Oberarm, nur für einen Moment. Pella
versuchte sich zu erinnern, ob sie heute Morgen ihre Pillen genommen hatte,
sowohl die zur Empfängnisverhütung als auch die himmelblaue. Aber die
Anti-Baby-Pille hatte sie ja bereits vor wer-weiß-wie-vielen Monaten abgesetzt.
Reiß dich zusammen, Mädchen. »Es geht schon«, sagte sie. »Erzähl einfach
weiter.«
    Als er mit der
Henry-Historie geendet hatte, war der Wein beinahe leer. Mike sah derart
mitgenommen aus, dass Pellas Lebensgeister zurückkehrten, so als sei in einer
Ecknische im Carapelli’s lediglich Raum für ein ganz bestimmtes Maß an Elend.
    »Also«, sagte sie und
legte sich ein schmales Stück der extrem großen Pizza auf den Teller. »Mal
sehen, ob ich das richtig kapiert habe. Seit du Henry kennst, bist du sein
Mentor. Sagst ihm, was er essen soll, welche Kurse er belegen soll, wie man
einen Speedball schlägt und so weiter. Henry macht keinen Schritt von A nach B,
ohne zu denken: Was würde Mike jetzt von mir erwarten? «
    »Wir nennen es
eigentlich Fastball.«
    »Fastball. Und jetzt
zahlt sich deine Arbeit aus. Du hast richtig gelegen bei dem Jungen – das, was
du vor drei Jahren in ihm gesehen hast, sieht nun jeder andere auch. Aber
glücklich macht dich das Ganze nicht. Im Gegenteil, du fängst sogar an, den
undankbaren Bastard zu hassen.«
    Mike runzelte die Stirn.
»Henry ist dankbar.«
    »Aber nicht dankbar
genug. Ohne dich würde er jetzt in einer Fabrik arbeiten. Stattdessen steht er
kurz davor, seinen Traum zu verwirklichen. Und dazu noch einen Haufen Geld zu
verdienen.«
    Mike verschränkte die
Hände unterm Kinn. Pella empfand es als Erleichterung, jemandem
gegenüberzusitzen, der in ihrer Anwesenheit so vorbehaltlos den Kopf hängen
ließ, als wäre sie gar nicht da. David tat das niemals – Davids Augen waren
immer auf sie gerichtet, forschten, bewunderten, bewerteten, genossen. Das
nannte er dann Liebe. »Ich komme mir wie ein Arschloch vor deswegen.«
    »Weswegen?«
    »Weil ich mich nicht
für ihn freuen kann.«
    »Du freust dich doch
für ihn.«
    »Aber so wenig, dass es
nicht normal ist. Ich hatte einen Plan für Henry, und er ist aufgegangen. Ich
hatte einen Plan für mich, und aus dem ist nichts geworden. Ich sollte das
nicht an ihm auslassen.«
    »Tja, Gefühle sind nun
mal nicht rational.«
    Mike klappte zwei
Stücke Pizza zu einer Art Sandwich zusammen und schob sie sich in den Mund. Seine
Sorgen schienen seinen Appetit nicht zu tangieren. »Du hast es hier mit
jemandem zu tun, der an einem Zweihundert-Seiten-Pamphlet über Marc Aurel
sitzt.«
    »Wie alt bist du?«,
fragte Pella.
    »Dreiundzwanzig.«
    »Genau wie ich. Und ich
beginne diesen Herbst nicht nur kein Jurastudium, ich habe außerdem nicht mal
die Highschool abgeschlossen. Ich habe abgebrochen, als ich David
kennenlernte.«
    »Liebe auf den ersten
Blick, was?«
    Pella zuckte mit den
Schultern. »Das dachte ich damals. Jetzt denke ich, ich war einfach auf
irgendetwas Großes aus. Irgendetwas, das niemand in meinem Alter machte. David
kam für ein paar Vorlesungen an meine Schule. Er war kein Akademiker, aber er
konnte besser Altgriechisch lesen als mein Lehrer. Verheiratet war er auch,
aber das wusste ich damals nicht.« Sie schaute auf, um zu sehen, wie Mike auf
die Sache mit der Ehefrau reagierte.
    Mikes Augen hatten sich
geweitet. »Er konnte Griechisch?«
    Sie nickte.
    »Und du auch?«
    »Ein bisschen.«
    Er befühlte seinen
Bart. »Wow.«
    »Es war mein letztes Jahr«,
sagte Pella. »Ich war gerade in Yale angenommen worden – mein Vater hatte in
Harvard unterrichtet, als ich klein war, ich wollte also genauso sein wie er,
während ich so tat, als würde ich das Gegenteil wollen. Zuerst machte ich mir
Sorgen, dass sie mich nicht nehmen würden. Aber nachdem es geklappt hatte, fand
ich es mit der Zeit nur noch langweilig, verstehst du? Meine halbe Klasse ging
nach Yale. Aber eine schlechte erste Ehe – damit war ich den anderen mindestens
fünf Jahre voraus.«
    Schwafelte sie herum?
Sie hatte in letzter Zeit derart wenig gesprochen, dass es schwer zu sagen war.
    »David lebte in San
Francisco«, kürzte sie jetzt etwas ab. »Ich flog mit ihm zurück, und wir zogen
in dieses Loft, das er gerade ausbaute. Das mit seiner Frau fand ich erst
später heraus – die beiden lebten

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