Kunst des Feldspiels
Sehen uns morgen früh in alter Frische, okay?«
Henry ging zurück in
den Speisesaal, wo er sich zwei Gläser Magermilch einschenkte. Er würde die
SuperBoost-Ration verdoppeln und sich damit begnügen müssen.
Küchenchef Spirodocus
kam auf seinen Holzclogs klipp-klappernd aus der Küche, starrte dabei auf sein
Klemmbrett. »Hey, Küchenchef Spirodocus«, sagte Henry.
Widerwillig hob
Küchenchef Spirodocus den Blick von seinem Brett, die Schweinsäuglein fokussierten
nur allmählich. Im Allgemeinen sprach er nicht gern mit Studenten. Aber als er
sah, dass es Henry war, nickte er. »Junger Mann. Wann kommst du wieder zur
Arbeit?«
»Bald.« Henry hatte die
Arbeit im Speisesaal meistens Spaß gemacht. Mit seinen Ansprachen und Tiraden
darüber, Kochen sei eigentlich Kunst, die Küche das Atelier, der Teller die
Leinwand (und wie sollte auf einer dreckigen Leinwand Kunst entstehen), nötigte
Küchenchef Spirodocus eine Menge studentische Jobber zur Aufgabe, für Henry aber
fügte sich diese Art Disziplin reibungslos in den eigenen Tagesablauf ein.
Trotzdem: Sollte er ausgewählt werden, sollte er fürs Baseballspielen bezahlt
werden, würde er es nicht mehr tun müssen. »Glaube ich.«
Eine Art Nebel durchzog
Küchenchef Spirodocus’ kleine schwarze Augen. »Ich könnte dich gebrauchen.« Er
hob unbeholfen die Hand, um Henry auf die Schulter zu klopfen. »Deine
Kommilitonen sind Idioten.«
Zurück in der Phumber
Hall stellte Henry die Gläser mit der Milch auf der Treppe ab und kramte in seiner
Tasche nach seinem Schlüsselbund. Er fand ihn, dann sah er, dass die Tür gar
nicht abgeschlossen war – eigenartig, wo Owen ja im Krankenhaus war. Er drückte
mit der Hüfte gegen die Tür und hob die Milchgläser auf. Als er sich in den
Raum hineindrehte, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Erschrocken
ließ er eines der Gläser fallen. Es landete dort, wo Owens tibetischer Teppich
endete und die Dielen anfingen, und zerbarst in schimmernde Schrapnellsplitter.
Milch spritzte über seine Trainingshose, den Schreibtischstuhl und den halben
Teppich.
»Henry.« President
Affenlight machte zwei schnelle Schritte in die Mitte des Raumes. »Meine Güte.
Das tut mir leid.«
»President Affenlight.
Hey. Verzeihen Sie. Sie haben mich erschreckt.«
»Kein Wunder.« President
Affenlight begann Glassplitter aufzusammeln und in den Papierkorb zu werfen.
»Was für ein idiotisches Verhalten meinerseits.«
»Scherben bringen
Glück, oder?« Henry warf seine Tasche aufs Bett und schnappte sich ein Handtuch
aus dem Wäschekorb. »Kommen Sie, lassen Sie mich das machen.« Es war
eigenartig, den Präsidenten im eigenen Zimmer anzutreffen, aber noch
eigenartiger war es, zu sehen, wie er auf allen vieren herumkroch und den
Teppich nach unsichtbaren Splittern absuchte.
»Es tut mir außerordentlich
leid«, sagte President Affenlight. »Ich wollte nur, nun ja, also, das
Krankenhaus hat heute Nachmittag mein Büro kontaktiert. Offenbar haben sie mich
als Kontaktperson eingetragen, weil ich als Erster dort war. Sie wollten, dass
ihm jemand seine Brille vorbeibringt.«
»Seine Brille? Komisch.
Ich habe sie ihm vor dem Training vorbeigebracht.«
»Ach so. Nun, das
erklärt, warum ich solche Schwierigkeiten hatte, sie zu finden.«
»Ich habe sie ihm
direkt ans Bett gelegt. Glaube ich jedenfalls. Ich hoffe, sie ist nicht aus der
Tasche gefallen.«
»Ich bin sicher, es war
bloß ein Missverständnis«, sagte President Affenlight schnell. Sie knieten auf
beiden Seiten des triefenden Handtuchs und versuchten kleine Glassplitter aus
dem Teppichgewebe herauszufischen. Henry überlegte, was er sagen könnte.
President Affenlight wirkte traurig oder einsam oder etwas in der Art, aber
vielleicht lag das auch nur an der Situation, daran, wie sie beide hier am
Boden kauerten. »Ihr Schlips«, sagte Henry, als die seidene Spitze von
Affenlights Krawatte kurz in eine Milchpfütze tauchte.
»Hm? Ah. Danke.«
Als sie keine Splitter
mehr finden konnten, stand President Affenlight auf und knöpfte sich den Mantel
zu. »Entschuldige nochmals die Unannehmlichkeiten, Henry. Ich revanchiere mich irgendwann
für das Glas Milch.«
Henry fiel nichts ein,
was er zu President Affenlight hätte sagen können, aber irgendwie wollte er
auch nicht, dass er ging. Vielleicht war es ja nicht der Präsident, der einsam
war – vielleicht war er es selbst. »Wie nennt man das noch mal«, fragte er,
»wenn man denkt, dass jemand anders die gleichen Probleme
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