Kunst des Feldspiels
»Gutes Auge«. Schaffte man ein Lauf-Triple, sagte
der Third Baseman, »Schönes Triple«. Wenn sie zurücklagen, lächelten sie, und
wenn sie führten, schauten sie nachdenklich und ein bisschen traurig. Der Name
ihres Teams war Holy Poets.
Für gewöhnlich
eröffnete Owen das Aufwärmen mit einer Reihe kollektiver Yoga-Dehnübungen.
Heute übernahm Henry seinen Platz, ließ jedoch Owens Kommentarschwall weg (»Tut
so, als wären eure Schultern geschmolzen, sehr gut, nein, lasst sie ganz
schmelzen …) und leitete stattdessen einfach von einer Übung zur nächsten
über. Die Harpooners folgten ihm mechanisch, während sie die Tribünen scannten.
Mädchen waren keine da, Opentoe war schwach, was das betraf; aber es kamen mehr
und mehr Scouts, die sich, je nach Generation, durch ihre Laptops oder ihre
Zigarren zu erkennen gaben und dadurch, dass sie den anderen Scouts die Hände
schüttelten.
Nach den Dehnübungen
nahm Asch Starblind mit in den abgezirkelten Aufwärmbereich für die Pitcher.
Die restlichen Harpooners trabten auf ihre Positionen, um ein paar
Infield/Outfield-Manöver durchzuspielen. Schwartz, der seinen Körper für die
Spiele schonte, indem er so wenig wie möglich trainierte, kehrte zur Spielerbank
zurück. Das würde ein langer Tag werden: In der Eile des Aufbruchs hatte er
sein Hydrocodon vergessen. Jetzt leerte er seine Tasche wie ein richtiger
Junkie, inklusive aller Seitenfächer, und verteilte den Inhalt auf der Bank.
Der Beutezug förderte zwei angeknackste und staubige Sudafeds, drei Advils und
einen vielversprechenden weißen Ellipsoiden zutage, der sich als
Pfefferminzbonbon entpuppte. Er steckte sich alles in den Mund, zur Hölle mit
den Bakterien, und spülte es mit einem Schluck lauwarmem Mountain Dew herunter.
Dann schlenderte er zum
Aufwärmbereich, um zu sehen, ob Starblind Fortschritte machte. Mit einem lauten
Knall landete der Ball mittig in Aschs Handschuh.
»Wie macht er sich,
Speck?«
»Auf die Zwölf, Mike.
Auf die Zwölf.«
»Curveball?«
»Volltreffer.«
»Changeup?«
»Wie am Schnürchen«,
erklärte Asch. »Jedes Mal hundert Punkte.«
Nach einigen weiteren
Würfen kam Starblind auf sie zu, wobei er mit dem rechten Arm schnelle,
manische Drehbewegungen vollführte. Wenn er pitchte, geriet er stets in einen
Zustand der Raserei, war kaum noch ansprechbar. Wer ihn nicht kannte, hätte
geschworen, dass er sich Unmengen von Koks verabreicht hatte. »Schau sie dir
an«, sagte er und machte eine Kopfbewegung in Richtung der Scouts, von denen
immer noch mehr ankamen.
Mike zuckte mit den
Schultern. »Das wird jetzt für den Rest der Saison so weitergehen. Gewöhn dich
am besten schon mal dran.«
»An was gewöhnen?«,
schnaubte Starblind. »Die sehen doch bloß Henry und sonst nichts. Ich könnte
zehn Runs vergeigen oder zwanzig Batter out machen. Wär auch scheißegal.«
»Mir nicht«, sagte Mike
milde.
Coach Cox rief die
Harpooners zusammen. »Geschlagen wird folgendermaßen: Starblind Kim
Skrimshander, Schwartz O’Shea Boddington, Quisp Phlox Guladni. Wartet auf den
richtigen Ball, lasst euch nicht kirre machen. Mike, willst du noch was sagen?«
Mike hatte nicht nur
seine Tabletten liegen lassen, er hatte auch vergessen, ein Zitat
herauszusuchen. Das hatte man davon, wenn man am Vorabend eines Spiels ein Date
hatte. Er würde improvisieren müssen. Er lehnte sich in die Mitte des Pulks vor
und musterte seine Mitspieler, prüfte jeden mit einer abgeschwächten Form des Blicks . »Brook«, sagte er, während er seine Augen an
Boddington heftete, einen der wenigen älteren Spieler im Team, »wo lag in
deinem ersten Jahr unser Rekord?«
»Drei zu
neunundzwanzig, Mike.«
»O’Shea. In deinem?«
»Ähm … zehn zu
zwanzig?«
»Passt. Und im letzten
Jahr? Jensen?«
»Sechzehn zu sechzehn,
Schwartzy.«
Schwartz nickte.
»Vergesst das nicht. Vergesst das bloß nicht.« Er sah in die Runde, drehte den Blick auf einer Zehner-Skala
hoch bis fünf. Er sah Henry an und Henry ihn, aber es sprang nichts Hilfreiches
über. Schwartz nahm seine Kappe ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Er fühlte sich irgendwie daneben, irgendwie von der Rolle, so als spiele er in
einer Fernsehserie sich selbst. Er hörte seine eigene Stimme in seinem Schädel
widerhallen.
Aber die Truppe nickte,
wartete, die Gesichter in wilder Entschlossenheit verzerrt: Sie liebten es,
wenn Schwartz Gift und Galle spuckte. Sie lebten dafür. Sie würden es ihren
Enkeln vorspielen. Also fuhr er
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