Kunst des Feldspiels
Owen.«
Schwartz nickte. So
komisch war es nun auch wieder nicht: Meist las der Buddha im Bus nur still für
sich und schlichtete den einen oder anderen Schule-oder-Knast-Disput.
»Schon von den Unis
gehört?«
»Noch nicht.«
»Ich wünschte, die
würden sich mal beeilen.«
»Ich auch.«
»Ich schleppe das hier
schon seit Wochen mit herum.« Henry griff in seine Tasche und zog eine Flasche
Duckling Bourbon hervor. »Ich wollte bereit sein, wenn die gute Nachricht
kommt.«
Ein allzu deutliches Verlangen
durchzog Schwartz’ Rückgrat. Duckling war seine Lieblingsmarke, und in letzter
Zeit hatte er in Ermangelung des nötigen Kleingelds ein starkes Verlangen
danach verspürt. »Skrimmer –«, setzte er an, aber er wusste nicht weiter. Henry
besaß weder einen gefälschten Ausweis, noch gab es irgendwo in Campusnähe
Duckling zu kaufen. Er musste dafür einiges auf sich genommen haben.
»Nimm sie einfach
jetzt«, sagte Henry und drückte Schwartz die Flasche in die Hände. »Ich hab
keine Lust mehr, sie mitzuschleppen.«
»Ich kann nicht«, sagte
Schwartz.
»Betrachte es als
Passah-Geschenk.«
»Sie ist Chametz .«
»Sie ist was?«
»Würde ich Passah
feiern, müsste ich sie in den Müll werfen. Oder sie mir von den Goyim klauen
lassen.«
»Oh.« Henry dachte
scharf nach. »Dann ist es ein verfrühtes Geschenk zum Abschluss.«
Schwartz begann sauer
zu werden. Jetzt konnte er es Henry nicht sagen. Der Kleine hatte schon genug
im Kopf – bei einem fehlerlosen Spiel heute würde er Aparicios Rekord brechen,
außerdem würden jede Menge Scouts auf den Rängen stehen. Hatte Miranda Szabo
einen einmal angerufen, war man ganz oben dabei und musste einen richtigen
Auftritt hinlegen.
»Lange kann’s ja jetzt
nicht mehr dauern«, sagte Henry. »Von Emily Neutzel und Georgetown hab ich dir
erzählt, oder?«
Schwartz knirschte mit
den Zähnen. Der Bus bremste ab, um die Ausfahrt zum Opentoe College zu nehmen.
Die restlichen Harpooners nickten im Takt ihrer Aufwärm-Playlisten und ließen
nur noch Gedanken zu, die ihnen beim Gewinnen helfen würden. Henry hielt noch immer
die Flasche in der Hand. »Das ist teures Zeug«, sagte Schwartz schroff. »Du
solltest es für dich behalten.«
»Was soll ich denn mit
einer Flasche Whiskey?«
»Trink sie am Tag der
Rekrutierung. Feier deinen neuen Ruhm und Reichtum.«
Der Ton, in dem er das
sagte, war falsch, gehässig, und ein verwirrter Ausdruck huschte über Henrys
Gesicht. In seiner Vorstellung war es Schwartz, der, nachdem er mit Henrys
SuperBoost-Shake angestoßen und einen Toast ausgebracht hatte, den Bourbon
trinken würde, wenn sie am
Rekrutierungstag ihren Abschied von Westish in eine größere und bessere Welt
feierten. Henry verstaute die Flasche wieder in seiner Tasche. Er wandte sich
in seinem Sitz um und starrte aus dem Fenster.
Herrgott!, dachte Schwartz. Er hätte dem Skrimmer
direkt die Wahrheit sagen sollen, jedes Mal wenn ein Brief eintraf. Jetzt hatte
er sich in eine ausweglose Situation manövriert. Der einzige Grund, ihm nicht
jetzt sofort die Wahrheit zu sagen, bestand darin, dass er ihn nicht
unmittelbar vor dem Spiel aus dem Konzept bringen wollte – aber mit seiner
schroffen und rüden Art hatte er das längst erreicht. Er konnte also genauso
gut reinen Tisch machen.
»Ich bin nicht
reingekommen.« Es klang schwerer, melodramatischer, als er eigentlich geplant
hatte.
Henry sah ihn an.
»Was?«
Versuch es diesmal
etwas weniger gravitätisch. »Ich bin nicht reingekommen.«
»Wo?«
»Nirgendwo.«
Henry schüttelte den
Kopf. »Das glaube ich nicht.«
»Es ist auch nicht zu
glauben. Aber es stimmt.«
»Absage aus Harvard?«
»Jap.«
»Absage aus Stanford?«
Um zu verhindern, dass
er die ganze Liste durchging, griff Schwartz in seine Sporttasche und zog ein
Bündel Briefe heraus. Henry sah sie durch. Er las sie nicht, sah sich bloß die
eleganten Embleme neben den Absendern an und hakte die sechs für sich im Kopf
ab. Er gab Schwartz den Stapel zurück und sah ihn traurig an. »Und was jetzt?«
Der Bus kam auf dem
Parkplatz von Opentoe zum Stehen. Die Harpooners schälten sich aus den Sitzen,
streckten sich und gähnten.
»Jetzt«, sagte Schwartz
so fröhlich, wie er nur konnte, »spielen wir Baseball.«
20
—
Pella realisierte, dass sie sehr lange geschlafen hatte.
Auf der Uhr neben dem Bett – Mikes Bett – war es 13.33 Uhr, und durch die
vorhanglosen Fenster strömte Tageslicht herein. Zu überlegen, wo sie in den
letzten
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