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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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werfen.
Stattdessen aber wurde es etwas heller, als Eliots Stimme kratzend versiegte
und Professor Eglantine die Kursteilnehmer entließ. Er und Starblind
schulterten ihre Rucksäcke und gingen zur Tür.
    »Henry?«, sagte eine Frauenstimme – leise, vorsichtig, neugierig,
aber dadurch nicht weniger überraschend. Henry blieb wie festgenagelt im
Türrahmen stehen. An seinem inneren Auge zogen unheilvolle Szenarien vorbei. Es
war Professor Eglantine, die ihn das erste Mal in diesem Semester direkt
ansprach: Er hätte seine Arbeit zur Ilias zumindest noch einmal lesen sollen, nachdem
Schwartzy sie überarbeitet hatte. Schwartz neigte zur Angeberei und warf mit
alten Fremdwörtern um sich, deren Buchstaben Henry in Microsoft Word nicht mal
fand. Er würde wegen Betrugs aus der Mannschaft fliegen, womöglich sogar vom
College. Die Rekrutierung war nicht gefährdet, das würde bloß passieren, wenn
er weiterhin so beschissen spielte, dennoch berücksichtigten die Teams das, was
bei ihnen unter dem Stichwort »Charakter« lief – die ganze Woche über war er
nach dem Training noch geblieben und hatte auf eigenartigen Fragebögen zur
Persönlichkeit, die ihm die Scouts der verschiedenen Mannschaften vorlegten,
Kästchen angekreuzt.
    Was würdest Du tun, wenn einer Deiner Mitspieler
    Dir sagen würde, er hätte jemanden vergewaltigt?
    Was magst Du an Geld am liebsten?
    Wenn Du ein Tier wärst,
welches wärst Du dann?
    Es war reine Faulheit gewesen, dass er die Arbeit nicht noch
einmal gelesen und die Passagen umformuliert hatte, die zu sehr nach Schwartzy
klangen. Normalerweise war er bei so etwas viel vorsichtiger.
    »Henry?«, sagte die Stimme erneut, näher jetzt und noch zaghafter,
und Henry begriff, dass es sich dabei keineswegs um Professor Eglantine,
sondern vielmehr um Pella Affenlight handelte, die da ohne ein Buch unter dem
Arm vor ihm stand. »Bist du Henry Skrimshander?«
    Henry nickte stumm.
    Sie sagte ihm ihren
Namen. »Ich wusste, dass du es bist. Mike hat mir schon so viel von dir
erzählt.«
    »Oh.« Henry spürte eine
leichte Enttäuschung. Beinahe hätte er geglaubt, diese exotische Fremde wüsste
rein zufällig, wer er war. In letzter Zeit war er ziemlich häufig in den
Lokalnachrichten aufgetaucht. »Du kennst Mike?«
    »Ja, na ja …« Nun
schien Pella diejenige zu sein, die enttäuscht war. »Mich hat er wohl noch
nicht erwähnt.«
    »Natürlich hat er dich erwähnt «, sagte Henry vage, obgleich Schwartz das nicht
getan hatte. »Ich bin nur … Ich hatte in letzter Zeit viel um die Ohren.«
    »Habe ich schon
gehört.«
    Rick und Starblind
beobachteten die beiden, waren aber glücklicherweise außer Hörweite. Über
Pellas Schulter hinweg verpasste Henry ihnen einen strengen, verzweifelten
Verzieht-euch-endlich-Blick. Starblind leckte lüstern seinen Zeigefinger und
ergänzte dann in der Luft eine imaginäre Strichliste. Schließlich verzogen sie
sich durch den Nord-Ausgang. Henry schlug die andere Richtung ein. Pella
Affenlight blieb an seiner Seite, gemeinsam stellten sie sich an der
Essensausgabe an und gingen wieder nach draußen, wo sie sich mitsamt ihren
durchsichtigen Tabletts in der Nähe der Melville-Statue niederließen. An
sonnigen Tagen war das ein beliebter Ort, weil man aufs Wasser schauen konnte,
ohne den Innenhof zu verlassen, heute aber war der Himmel eine tief hängende
graue Kuppel, und sie hatten Melville ganz für sich. Henry nippte an einem Glas
fettarmer Milch, die im Tageslicht leicht bläulich wirkte, und wartete darauf,
dass Pella etwas sagte.
    »Es muss toll sein«,
sagte sie, »eine Sache so gut zu können.«
    Irgendwo nordöstlich
grollte Donner. »Ähm«, sagte Henry verlegen.
    »Bringe ich dich in
Verlegenheit? Das wollte ich nicht.«
    »Schon okay.«
    »Ich frage mich bloß,
wie das ist, eine Sache so gut zu können und es zu wissen .
In der Highschool dachte ich eine Weile, ich wollte Künstlerin werden, aber ich
habe es aufgegeben, weil ich mir selbst nicht abgenommen habe, dass ich gut
genug bin.«
    Henry, der nicht
wusste, was er sagen sollte, machte ein interessiertes Geräusch, das sie zum
Weitersprechen ermutigen sollte.
    »Ich meine, ich habe
ein paar Bilder gemalt, die ganz okay waren, aber keins davon hat wirklich gelebt . Verstehst du? Irgendwann dachte ich einfach, scheiß
drauf. Mir wurde klar, dass ich gar nicht das Malen so toll fand, sondern eher,
mich mit Farbe vollzuschmieren und sehr viel Kaffee zu trinken. Also mache ich
das jetzt einfach ab und

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