Kunst des Feldspiels
»Danke,
Skrim.«
Izzy spuckte erneut
aus. »Estúpido.«
Coach Cox steckte den
Kopf durch die Tür. »Dunne! Wie zum Henker geht’s dir verdammt noch mal?«
»Schon viel besser,
Coach.«
»Siehst aber immer noch
scheiße aus. Skrimmer hat an der Backe da ganze Arbeit geleistet. Skrim, hast
du mal einen Moment?«
»Klar, Coach.«
Sie verließen die
Kabine und gingen durch die Korridore des VAC . In einem der Mehrzweckräume tummelte
sich der Mittelalter-Fechtclub, die freien Hände auf den Rücken gelegt,
tänzelten sie an Klebebandstreifen entlang. Die Teilnehmer trugen Kettenhemden
und auf den Köpfen etwas, das für Henry nach Piratenhüten aussah. In dem
anderen Mehrzweckraum war das Licht ausgeschaltet. Angenehme Musik – Gong und
Holzblasinstrumente – drang aus den Lautsprechern, Studenten saßen im
Schneidersitz auf dem Boden. »Wenn Sie das Gefühl haben, einen fahren lassen zu
müssen«, sagte der Kursleiter fröhlich, »ist es wichtig, das auch zu tun.«
Ein verformter
Medizinball lag auf dem Flur. Coach Cox verpasste ihm im Vorbeigehen einen
lahmen Fußtritt. Vertrauliche Gespräche waren nicht so seine Sache. »Also«,
sagte er.
Henry nickte. »Ja.«
»War ’ne harte Woche.
Aber du darfst dich jetzt nicht unterkriegen lassen.«
»Ich weiß.«
»Sei einfach ganz
locker da draußen. Scouts hin oder her. Lass sie einfach da sitzen und auf
ihren tollen Laptops rumtippen und mit ihren tollen Handys telefonieren. Sei
einfach locker und spiel dein Spiel.«
»In Ordnung«, sagte
Henry. »Mach ich.«
»Das weiß ich.« Coach
Cox klopfte ihm unbeholfen auf die Schulter. »Wir stehen hinter dir, Skrim.«
Als Henry zurück in die
Kabine kam, war das Geplänkel einer Atmosphäre feierlicher Vorbereitungen
gewichen. Jeder Harpooner saß halb oder nahezu komplett ausstaffiert vor seinem
Spind und nickte zu seiner Aufwärm-Playlist auf dem iPod im Takt. Schwartz
benutzte einen antiken Kassetten-Walkman. Nur Henry hörte überhaupt keine
Musik. Izzy drehte die Schweißbänder an seinen Handgelenken so, dass das Logo
jeweils an der gleichen Stelle saß. Sooty Kim knöpfte die unteren zwei Knöpfe
seines Trikots zu, öffnete dann einen, knöpfte zwei weitere zu, öffnete wieder
einen. Detmold Jensen machte sich mit einer winzigen gezackten Schere an seinem
Handschuh zu schaffen, kappte einen überflüssigen Zentimeter Naht. Henry ging
auf die Toilette, in der noch immer Rick O’Sheas Gestank hing, und pinkelte mit
langem und klarem Strahl. Er seifte sich Unterarme und Hände mit flüssiger
Industrieseife in Bonbonrosa ein und spülte sie wieder ab.
Sein Magen grummelte
verdächtig. Vor einem Spiel machte er immer dicht, nicht unbedingt aus
Nervosität – es war eher eine Art Selbstgenügsamkeit oder eingeschränkte
Funktionalität, die den Gedanken, dem Körper irgendetwas zuzuführen, bizarr
erscheinen ließ. Heute aber stimmte etwas nicht. Ganz hinten im Rachen
schmeckte er Galle. Er ging in eine der Kabinen, verschloss die Tür und kniete
sich, den Kopf gesenkt, vor die Toilettenschlüssel. Er hatte von
Major-League-Spielern gehört, die vor Aufregung kotzen mussten. Das war nicht
zwangsläufig ein Zeichen von Schwäche oder überhaupt eine große Sache. Trotzdem
hoffte er, dass ihn niemand hörte. Er schluckte ein-, zweimal trocken. Er
wusste nicht genau, wie er das Ganze beschleunigen konnte. Er steckte den
Zeigefinger in den Mund und tastete damit herum, strich sich über die Zunge,
berührte die Stelle, wo Zunge und Gaumen sich trafen. Sein Finger schmeckte
nach der rosa Seife, deren Farbe Süße suggerierte, die aber warm und ekelhaft
war. Der Geschmack wühlte seinen Magen noch mehr auf. Schließlich fand er den
richtigen Punkt. Seine Eingeweide schlingerten, er würgte, und sein Mittagessen
ergoss sich in einer langen Kaskade in die Schüssel. Am Boden zusammengesackt,
fühlte er sich besser, beinahe schläfrig. Ein beglückender Schwall
körpereigener Chemikalien flutete sein Gehirn.
Er ging zurück in den
Umkleideraum. Er war nun etwas spät dran, passte aber auf, dass er sich bei den
eigenen Vorbereitungsritualen nicht zu sehr abhetzte, dem zwei-, dreimaligen
Überprüfen von Tiefschutz, Hartschale, Sliding-Shorts, Cardinals-Shirt, Trikot,
Socken, Stulpen, Gürtel, Schlaghandschuhen, Fanghandschuh und Mütze. Er prüfte
jedes Körperteil auf Lockerheit: Handgelenke, Finger, Zehen, all die namenlosen
Muskeln, die den Brustkorb umgaben und aus denen Nacken und Gesicht bestanden.
Er löste
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