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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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seine Schuhbänder und verknotete sie mit der idealen Festigkeit,
sodass die Fußrücken zwar Druck bekamen, aber nicht zusammengepresst wurden. Er
folgte seinen Mitspielern ins Freie.
    »Sie sind zurüüüü-hück «, sagte Izzy, womit er die Scouts meinte.
Benzinsparende Mietwagen standen in einer Reihe auf dem Parkplatz, die grellen
Lackierungen vom Mausgrau des Tages etwas gedämpft. Darunter mischten sich ein
paar breitreifige Limousinen, deren Fußräume mit Fastfood-Tüten und
Styropor-Bechern zugemüllt waren. Es gab zwei Sorten von Scouts: solche, die
mieteten, und solche, die besaßen.
    Beim Aufwärmen fühlte
sich Henrys Arm leicht und biegsam an, lebendig wie ein Vogel – aber es spielte
keine Rolle, wie man sich während des Aufwärmens fühlte. Man musste Leistung
zeigen, wenn man unter Druck stand. Im ersten Inning kam er nach einem guten
Schlag direkt auf die Second Base, und im dritten schlug er einen langen,
langen Home Run. Aber als ein simpler Aufsetzer auf ihn zukam, zögerte er und
zielte niedrig und derart weit von der First Base weg, dass Rick den Ball vom
Boden aufklauben musste. Drei Innings später noch einmal, nur dass es Rick
diesmal nicht gelang. Ein weiterer Patzer, der fünfte in einer Woche: Sie
stapelten sich wie Leichen in einem Horrorfilm.
    Nach dem Spiel kam
Sarah X. Pessel, die Sportredakteurin des Westish Bugler, mit ihrem Aufnahmegerät auf ihn zu. »Hallo, Henry«, sagte sie. »Hartes Spiel.«
    »Wir haben gewonnen.«
    »Stimmt, aber für dich
persönlich.«
    »Ich habe viermal
getroffen.«
    »Stimmt, aber was die
Defensive angeht: Mir schien, du warst ziemlich am Kämpfen. Wieder ein paar
wackelige Würfe heute.«
    »Fünfzehn zu zwei für
uns«, sagte Henry. »Das ist der beste Saisonauftakt in der Geschichte der Uni.
Wir müssen uns einfach immer weiter verbessern.«
    »Dann macht es dir kein
Kopfzerbrechen, wie du heute geworfen hast?«
    »Fünfzehn zu zwei«,
wiederholte er. »Darauf kommt es an.«
    »Und deine persönliche
Zukunft? Kommt es nicht auch darauf an? Acht Wochen vor der Rekrutierung?«
    »Solange die Mannschaft
gewinnt, bin ich glücklich.« Immer wenn Henry einen Rekord aufstellte oder von
jemandem zum Spieler der Woche oder des Monats ernannt wurde, bat Sarah ihn um
einen Kommentar, und er erzählte ihr mit der geübten Inhaltslosigkeit eines
All-Star-Spielers, dass er herzlich gern auf die ganzen Plaketten, Statistiken
und Trophäen verzichten, sogar gern auf der Bank sitzen würde, wenn dafür die
Harpooners nach über hundert Jahren vergeblicher Versuche endlich eine
Meisterschaft gewinnen würden. Bis heute war er sich immer sicher gewesen, dass
das auch stimmte.
    »Weißt du, wer Steve
Blass ist?«, fragte Sarah.
    »Nie von ihm gehört«,
log Henry. Steve Blass war in den frühen ’70ern ein
All-Star-Werfer der Pirates gewesen. Im Frühling 1973 war er
plötzlich und unerklärlicherweise nicht mehr in der Lage, einen Ball über die
Plate zu werfen. Zwei Jahre lang rang er darum, die Kontrolle wiederzuerlangen,
und ging dann als gebrochener Mann in Rente.
    »Was ist mit Mackey
Sasser?«
    »Nie von ihm gehört.«
Sasser, ein Fänger der Mets, hatte eine lähmende Angst davor entwickelt, den
Ball zurück zum Pitcher zu werfen. Er setzte zweimal, dreimal, viermal, fünfmal
zum Wurf an, außerstande loszulassen. Die gegnerischen Fans zählten voller
Schadenfreude lautstark bei den Versuchen mit. Die gegnerischen Spieler rannten
um die Bases. Totale Demütigung. Als Sasser das passierte, sagten alle, er
hätte das Steve-Blass-Syndrom.
    »Steve Sax? Chuck
Knoblauch? Mark Wohlers? Rick Ankiel?«
    Wäre Sarah
X. Pessel kein Mädchen gewesen, hätte Henry ihr womöglich ins Gesicht
geschlagen. Ihr zweiter Name fing wahrscheinlich gar nicht mit X an, sie fand es nur toll, wie es in der Verfasserzeile
aussah. »Keiner von denen war Shortstop«, sagte er.
    »Auf mich brauchst du nicht sauer zu sein, Henry. Ich mache bloß
meine Arbeit.«
    »Du gehst aufs College,
Sarah. Du arbeitest für den Bugler . Du kriegst kein
Geld dafür.«
    Sarah sah ostentativ
hinaus aufs Spielfeld, dann wieder zu Henry. »Du auch nicht.«

30
    —
    Wie so viele aus dem Mittleren Westen begann auch Mrs.
McCallister ihren Arbeitstag zeitig. Nachmittags um Viertel nach vier hatte sie
sogar eine weitere Überstunde auf dem Konto und kehrte zu ihrem gut zwei
Quadratkilometer großen Garten und einem mehrgängigen Abendessen zurück,
zubereitet von Mr. McCallister, der sich vor drei Jahren

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