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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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angeheftet ein Che-Guevara-Poster; das berühmte Porträt des Revolutionärs auf rotem Grund.
    Davor blieb Marco stehen. »Hier wohnt Daniel. Unser strenger Chef der WG.«
    Die weiteren Türen gehörten zu Küche, Bad und Gästetoilette, sowie den Räumen von Nina, die sich nach ihrem Vater mit Nachnamen ›Santini‹ nannte, und Rico Götz.
    Der junge Mann führte Norma ans Ende des Gangs. »Das ist mein Zimmer.«
    Der Raum war geräumig und mit Bett, Schreibtisch, einigen Wandborden und dem Kleiderschrank übersichtlich möbliert. Auf dem Parkett lagen Kleidungsstücke verstreut, die Marco eilig zusammenraffte. »Entschuldigung, ich war nicht auf Besuch eingestellt.«
    »Nett«, bekannte Norma erleichtert, die sich im Stillen für ein größeres Chaos gewappnet hatte. »Wie lange brauchst du zum Packen?«
    Er nahm einen Koffer vom Kleiderschrank und legte ihn auf das Bett. »Hier habe ich nicht viel. Die meisten Sachen sind im Proberaum.«
    Es gefiel ihm nicht, sein Zimmer herzugeben. Die Aussicht, sonst den Job in der Galerie zu verlieren, ließ ihm keine Wahl. Er konnte bei einem befreundeten Musiker wohnen, bis die Tournee startete. Während er packte, betrachtete Norma die Bücherreihen auf dem Wandbord: Überwiegend Fachliteratur über Musik, unter die sich einige Kriminalromane geschummelt hatten. Im Regal befand sich eine reichhaltige CD-Sammlung.
    Er warf der Privaten Ermittlerin einen bangen Blick zu, während er einen Stapel T-Shirts in den Koffer stopfte. »Du kannst dir von der Musik anhören, was du willst. Aber bloß nichts durcheinander bringen.«
    Sie versprach, grundsätzlich nicht mehr anzurühren, als unbedingt notwendig war. Marco gab ihr eine kurze Einweisung über die Gepflogenheiten in der Gemeinschaft. Die Konflikte schienen um Putzen, Mülltrennung und Ordnunghalten zu kreisen. Die wohl unvermeidlichen Reibungspunkte in jeder Wohngemeinschaft.
    Marco klappte den Koffer zu und hantierte an den Verschlüssen herum. Währenddessen wandte er sich um. »Frau Abendstern hat Nina in Verdacht, nicht wahr?«
    Norma zog vorsichtig eine CD heraus: Nils Petter Molvaer, Khmer. Arthurs Lieblingsaufnahme. Lange nicht gehört. »Traust du es ihr zu?«
    Er drückte sich vor einer klaren Antwort. »Nina braucht ständig Geld. Für Klamotten. Für Konzerte. Und Rico genauso. Aber die eigene Mutter beklauen? Wer macht so was?«
    Sie schob die CD zurück. »Und dem Freund das Handy kurzfristig entwenden? Um damit den Feueralarm auszulösen? Kannst du dir das vorstellen bei Nina?«
    »Weiß nicht.«
    Besonders ergiebig war das nicht. Sie wollte nachfragen, als es klopfte und ein Mann ohne Aufforderung das Zimmer betrat. Der Ernesto verehrende Hausbesitzer? Ein Ledergürtel mit Silberschnalle fixierte die vom Alltag gebeutelte Jeans unter dem Bauchansatz. Über den stämmigen Rumpf spannte sich ein verwaschenes T-Shirt. Ein Silberring zierte die rechte Augenbraue. Als der Mann den Arm nach der Tür ausstreckte, bemerkte Norma die Schlange, die sich um den Unterarm wand. Das ausgefeilte Tattoo wirkte kunstvoll gegen die unscharfe kleine Zeichnung am Hals, die aus ihrer Sicht ebenso einen Käfer wie ein Ruderboot darstellen konnte. Auf jeden Fall etwas Ovales mit Ärmchen. Norma wandte den Blick ab, bevor ihre Neugierde auffiel.
    Der Mann, den sie auf Mitte 30 schätzte, lächelte entschuldigend. »Ich bin der Daniel. Wenn ich gewusst hätte, dass Marco Besuch hat … Ich wollte nicht stören.«
    Marco fing Normas Blick auf. »Das ist Mieke Lienhop. Kann sie hier wohnen, solange ich auf Tournee bin? Ab sofort, wenn du einverstanden bist?«
    Die im Gegensatz zum kahlen Schädel üppig ausgeprägten Augenbrauen zogen sich zusammen. Der Ring schnellte in Richtung Nasenwurzel. »Wir hatten abgemacht, solche Untervermietungen miteinander abzusprechen. Und wieso sofort? Ich dachte, die Tournee beginnt erst in zehn Tagen.«
    Marco hob den Koffer vom Bett und stellte ihn auf den Fußboden. »Der Zeitplan hat sich geändert. Was Mieke betrifft: Das ist eine Notlage. Sie braucht dringend ein Zimmer.«
    »Ärger mit einem Kerl, oder wie?«
    Norma lächelte besänftigend. »Entschuldige bitte, dass ich hier so reinschneie. Es ist nur für ein paar Tage, bis ich was anderes gefunden habe.«
    Er blieb skeptisch. »Wie klamm bist du? Marcos letzte Einquartierung hat den Kühlschrank leer gefegt und in Null-Komma-Nichts das Bier ausgeräumt, um sich danach aus dem Staub zumachen, ohne einen Cent rauszurücken. Von der Sauerei,

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