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Kunstraub im Städel

Kunstraub im Städel

Titel: Kunstraub im Städel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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vonstatten. Seinen Ausweis hatte Herr Schweitzer nicht vorzeigen müssen, was ihn auch überrascht hätte. Nur ein Formular hatte er ausfüllen müssen und ein Fünfziger war als Kaution fällig gewesen.
    „Willkommen, Simon. Wir duzen uns hier. Ich bin übrigens der Jupp“, sagte Jupp Wachtelau völlig überraschend, nachdem er vorher ziemlich wortkarg gewesen war. Und misstrauisch, denn sein neuer Gast war seit langer, langer Zeit der Erste, der offensichtlich ein Auto besaß. „Wieso hast du ein Frankfurter Nummernschild? Ich denke, dein letzter Wohnsitz war in Langen.“
    Ja, das hatte Herr Schweitzer angegeben. Langen war nicht so weit entfernt, als dass man seinen Dialekt, den er unüberhörbar besaß, auch wenn er stets bemüht war, Hochdeutsch zu reden, hätte anzweifeln können. Außerdem besagte seine Legende, er habe Arbeitsplatz und Wohnung verloren und die Scheidung von seiner Frau sei bald spruchreif. Damit glaubte er, zumindest hier auf dem Campingplatz Gaul, die Unauffälligkeit in Person darzustellen. Doch an sein verräterisches Nummernschild hatte er in all der Hektik nicht gedacht. So stotterte er auch recht unbeholfen: „Oh, äh. Meine Schwester wohnt in Höchst. Ich kann ihr Auto benutzen, solange sie diesen, äh, diesen Kurs in Berlin hat.“
    Doch Jupp Wachtelau war es ziemlich egal, wem das Auto gehörte. Er hatte seit zwei Monaten ein Problem: „Das ist ja toll, supertoll, wenn ich mal so sagen darf. Hast du nachher mal ein bisschen Zeit?“ Er dirigierte Herrn Schweitzer mit dem Zeigefinger zu sich.
    „Ja. Wozu?“
    „Die Streifenhörnchen ham für’n halbes Jahr meinen Lappen eingezogen. Weißt du, mit meinem klapprigen Fahrrad kann ich doch nur einen Kasten transportieren. Bis jetzt musste ich immer vier, fünf Mal am Tag zum Laden fahren. Du glaubst gar nicht, was hier manchmal gesoffen wird.“
    Oh doch, das glaubte Herr Schweitzer. Oft genug war er hier mit Maria am Main spazieren gewesen und hatte das Gegröle schon von Weitem gehört. „Kein Problem, Jupp. Das kriegen wir locker unter. Wann willst du los?“
    „In ner Stunde vielleicht. Bring erst mal deine Sachen in’n Bauwagen und mach’s dir gemütlich. Die Leute sagen zwar immer, es sei nur für kurze Zeit, aber wir ham hier Stammgäste, die sind schon seit ner halben Ewigkeit da. Is ja auch heimelig hier. Nur im Frühjahr bei Hochwasser wird’s manchmal unangenehm. Da musste dann im Schlaf schwimmen.“
    Herr Schweitzer war erstaunt, wie schnell er sich Vertrauen erworben hatte. Und das auch noch beim Pförtner. Den würde er später mühelos ausquetschen können. „Gut, dann fahr ich mal rein, lade die Sachen aus und bin gleich wieder da.“
    „Ja, aber lass dir Zeit. Nur keine Hektik, Simon. Wir sind hier net uff de Flucht.“
    Dem selbsternannten Undercover-Agenten war’s recht so. Hektik stand seiner Lebensphilosophie diametral entgegen. Und die lautete: Faulheit ist die Kunst sich auszuruhen, bevor man müde wird. Dementsprechend behäbig setzte sich Herr Schweitzer in Bewegung. Mit lausbübischem Grinsen entgegnete er: „Alles klar, Jupp. Bis nachher.“
    Und dann haute es ihn aus den Socken. Er hatte die Tür des dunkelgrünen Bauwagens geöffnet. Ein mit nichts zu vergleichender Gestank schlug ihm entgegen. Eine Kakerlake huschte unter einen kleinen Kühlschrank. Die riesengroße Spinne im Türrahmen blieb, wo sie war. Nur ihr Netz vibrierte vom plötzlichen Windzug.
    Herr Schweitzer wartete drei Minuten, um frische Luft hineinzulassen. Dann griff er nach einem Stock und entfernte Netz samt Spinne, die sich zusammengerollt hatte. Durch den Staub am Boden schritt er zum einzigen Fenster an der Seitenwand. Er öffnete es. Erst dann war es hell genug, um die Ursache des Gestanks zu deuten. Er kämpfte mit dem Brechreiz. Aus einer offenen Dose Ravioli quollen Maden und Ameisen. Auf dem Klapptisch lag verwesendes Obst. Eine Banane war noch zu erkennen, aber mehr an ihrer Form als an der Farbe. Auch hier allerlei Getier, das sich am feinen Fresschen labte. Wenigstens sah das Bett halbwegs passabel aus.
    Vom Jupp lieh er sich Arbeitshandschuhe. Mit bloßen Händen wollte er hier nicht arbeiten. Wer weiß, was man sich dabei alles einfing. Als Erstes trug er die Lebensmittel, die wahrscheinlich schon zu Todesmitteln mutiert waren, zur grauen Mülltonne, die nur wenige Meter entfernt mitten auf dem Rasen stand. Herr Schweitzer fragte sich, ob dieser Jan, dem der Bauwagen gehörte, grundsätzlich ein kleines

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