Kunstraub im Städel
Uni-Klinikum deckt den größten Teil ab. Das heißt, wenn unser Kandidat nicht zufällig erkrankt ist und auf irgendeinem Zimmer dort liegt, kommt eigentlich nur der Campingplatz in Betracht.“
„Eigentlich …“ Herr Schweitzer störte sich an diesem Wort. Und: „Außerdem war dieser Konstantinos, oder zumindest sein Handy, das letzte Mal vor knapp vier Wochen dort gewesen, wenn ich richtig gerechnet habe.“
„Ich weiß, ich weiß. Ich sagte ja bereits, die Spur ist eigentlich kaum der Rede wert. Aber genau in diesem Eigentlich liegt ja meine Stärke.“
„Ach ja, verstehe. Jede Spur, aber auch wirklich jede, und sei sie auch noch so winzig …“, bewies Herr Schweitzer, dass er des Meisters Gebote kapiert und verinnerlicht hatte.
„Bingo, Simon. Ich wusste es, du bist klasse“, erklärte Marlon Smid und schlug sich auf die Schenkel. Dann fischte er aus seiner Hemdtasche ein Foto heraus. „Hier, das ist der Typ, nach dem wir suchen. Ich persönlich glaube ja, dass das unser Mann ist. Auch wenn die Bullen … ach, lassen wir das. Die tun ihre Arbeit, wir die unsere. Was meinst du, der Typ da, der hat doch irgendwie was Kriminelles an sich. Ich hab ein Näschen dafür.“
Herr Schweitzer nahm das Foto am Rand, um es nicht mit seinen feuchten Fingern zu verschandeln. Er betrachtete es eine Weile. Dunkles gewelltes Haar hing in die Stirn und trostlose Augen blickten ihm entgegen. Er drehte es um. Auf der Rückseite stand mit Bleistift Konstantinos Tziolis geschrieben.
„Ist er vorbestraft?“
„Kleinigkeiten. Allerweltsdelikte. Fahren ohne Führerschein. Ladendiebstahl. Ist aber alles schon eine Ewigkeit her.“
„Wie alt?“
„Vierzig.“
„Spricht Deutsch?“
„Sehr gut sogar, sagt sein Chef.“
„Und was hat er im Städel gemacht?“
„Putzen. Jeden Tag, nachdem der letzte Besucher das Städel verlassen hat. Putzen. Tagein, tagaus: Putzen.“
Herr Schweitzer blickte noch einmal aufs Foto. „Wie eine Putzfrau sieht der mir aber nicht aus.“
„Haha, Mensch, Simon, haha, der war gut“, eierte sich Smid weg.
Herr Schweitzer wusste zwar nicht, was daran gerade lustig gewesen sein soll, ließ es aber dabei bewenden. Jeder hat halt eine andere Art von Humor, sagte er sich. „Und wie genau sieht nun meine Tätigkeit aus? Ich ziehe vorübergehend auf den Campingplatz …“
„… in einen Bauwagen“, unterbrach Smid.
„Logo. Genau, in einen Bauwagen. Und hör und guck mich um, ob da vielleicht dieser Konstantinos Tziolis auftaucht. Soll ich da eigentlich auch wohnen, ich meine, die Nächte dort verbringen?“
„Na ja, die eine oder andere schon. Vielleicht taucht er immer nachts auf, wenn alle schlafen. Oder sein Kumpel wohnt noch dort. An dem Raub müssen mindestens zwei Leute beteiligt gewesen sein, sagt die Kripo. Und ausnahmsweise glaub ich ihr. Aber nein, du brauchst dich nicht die ganzen vierundzwanzig Stunden dort aufhalten. Mach einfach, wie du denkst. Ich erwarte mir sowieso nicht viel davon. Nur, was sein muss, muss halt sein.“
„Jede Spur, aber auch wirklich jede …“
„Bingo! Was denkst du, kannst du morgen anfangen?“
„Logo.“
„Ach, da ist noch was …“
Genau wie im Krimi, dachte Herr Schweitzer, jetzt kommt nämlich der Haken an der Sache. „Ja? Das wäre?“
„Nun“, sagte Smid und verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln, „die Typen, ich meine, die Menschen, die dort auf dem Campingplatz wohnen, das sind keine normalen Camper.“
„Ich weiß. Das ist bekannt.“
„Puh. Gut. Dann ist ja alles in Butter. Morgen also.“ Marlon Smid sah auf seine Armbanduhr und erhob sich. „Ich muss jetzt los. Meine Nummer hast du ja, falls was ist.“
„Jooh, hab ich. Und der Bauwagen? Ist die Tür abgeschlossen?“
Marlon Smid klatschte sich gegen die Stirn. „Oh Mann, bin ich doof. Aber klar, du hast recht. Hier ist der Schlüssel. Du meldest dich vorne beim Personal und sagst, du seist ein Freund vom Jan. Dem gehört nämlich der Wagen.“
„Und wo ist Jan gerade?“
„Der hat inzwischen eine richtige Wohnung gefunden. Ist ein alter Freund von mir. So von der Sorte, der man gelegentlich unter die Arme greifen muss. Jetzt kann er auch mal was für mich tun. Kann sein, dass du den Wagen noch ausfegen musst, er steht schon seit einem halben Jahr leer.“
„Okay. Ich bring dich noch zur Tür.“
Unterwegs lief ihnen Maria über den Weg.
„Oh. Hallo Schatz. Das ist Marlon.“
„Angenehm.“ Sie reichte ihm die Hand.
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