Kunstraub im Städel
italienischen Lederschuhe – 450 Euro Freundschaftspreis – waren selbst vom besten Schuster der Welt nicht mehr zu retten, doch der LKW samt dem Holbein zwischen den Obstkisten stand abfahrbereit auf dem ölverschmierten rissigen Betonboden.
Außer Atem und wohl wissend, dass er um einen äußerst brutalen Riesenmuskelkater nicht herumkommen würde, blickte Durchlaucht dem Laster hinterher. Wie ferngesteuert schleppte er sich in den schäbigen Aufenthaltsraum, um sich noch zwei Tassen Kaffee einzuflößen.
Des Contes Hoffnung, hernach ginge es ihm ein bisschen besser, erfüllte sich nicht. Höllisch schmerzte jeder einzelne Knochen. Nicht blau, sondern rot wie bei jedem anderen Normalsterblichen auch, war die Farbe des Blutes, das aus den aufgeplatzten Blasen seiner Hände sickerte. Doch er tröstete sich mit dem Gedanken, der echte Holbein würde bald der Seine sein.
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Als die Farben Rot, Gelb und Lila eine surreale Abenddämmerung an den Himmel zauberten, saß Herr Schweitzer vor seiner freiwilligen Notunterkunft. Vor Kurzem hatte er ein Loch in seinem Strumpf entdeckt. Mit einem kleinen Taschenmesser schnitt er weitere Löcher hinein. Sie mussten eh weggeschmissen werden, da er zwar nähen, aber nicht stopfen konnte.
Während dieser destruktiven Tätigkeit behielt er stets die Rezeption im Auge. Er spekulierte darauf, Jupp Wachtelau möge sich mal für länger entfernen, damit der Weg für ihn frei wäre, einen Blick ins Melderegister zu werfen. Aus detektivischem Kalkül heraus war er sehr daran interessiert, wie dieser Benny, der den Schuppen Nummer 9 angemietet hatte, mit richtigem Namen hieß.
Doch dazu kam es nicht. Jupp entfernte sich nie mehr als ein paar Meter von seinem Arbeitsplatz. Außerdem war da noch der Tobi, der sich im Liegestuhl ein Hansa-Bier nach dem anderen reinpfiff.
Als Cleverle hatte Herr Schweitzer aber noch Plan B in petto. Dieser hatte etwas mit den Strumpflöchern zu tun, die einzig und allein der Anbiederung dienen sollten. Ein weiterer Bestandteil dieses Plans war auch der Joint, den er nun drehte. Hierfür verwendete er das in reinem Haschöl gebadete Dope von Marlon Smid.
Die Sonne war längst verschwunden und das Thermometer stagnierte weiterhin jenseits der 30-Grad-Marke, als Herr Schweitzer die Illusion begrub, ein Blick ins Gästebuch würde ihm noch heute vergönnt sein.
Auf löchrigen Strümpfen und mit dem Zauber-Zigarettchen in der Tasche schlenderte er scheinbar ziellos drauflos. Nun hieß es zu eruieren, woher der Wind wehte. Gar nicht so einfach bei absoluter Windstille. Zuerst ging’s zum Main, wo Knobel-Harald und Jägermeister träge auf einer Decke saßen und, Achtung, jetzt kommt’s: Wasser tranken. Wasser! Kein Kirschwasser. Richtiges Wasser. Herr Schweitzer grüßte kurz und verdattert.
„Du hast ein Loch im Strumpf“, bemerkte Knobel-Harald.
„Mehrere“, sekundierte Jägermeister.
Herr Schweitzer hätte nun darauf hinweisen können, dass die fett- und schweißbefleckten Shirts der beiden auch nicht gerade für einen Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten taugten, aber er verkniff es sich und tat stattdessen erstaunt: „Oh. Da muss ich mir wohl bald mal neue kaufen, wenn ich wieder Kohle hab.“
Jägermeister: „Apropos Kohle. Du kannst uns nicht zufällig einen Zehner leihen?“
„Sorry, Jungs, bin selbst ein wenig klamm. Aber ihr könnt zum Jupp gehen und ein Bier auf meine Rechnung trinken. Sagt ihm, ich zahle morgen.“
Wie von der Tarantel gestochen schossen Jägermeister und Knobel-Harald in die Höhe und spurteten zur Rezeption.
Aha, dachte Herr Schweitzer, das Wasser war wohl bloß ein halbherziges Ausweichmanöver und hatte nichts mit einem frisch erworbenen Gesundheitsbewusstsein zu tun. Er setzte seinen Rundgang fort. Gelegentlich spähte er dabei zum Bauwagen der Punks, die im Gras davor herumlungerten und keinerlei Spuren von Aktivität zeigten. Aus ihrem Ghetto-blaster waren dezent die Klänge ihrer Lieblingsmusik zu vernehmen.
Zur Verschleierung seiner wahren Absichten spazierte Herr Schweitzer noch bis zum unteren Ende des Campingplatzes, ehe er umkehrte und sich mit dem Rücken zu den Punks auf dem Stumpf einer einstmals prachtvollen Buche niederließ.
Und als schon gar nicht mehr damit zu rechnen war, zeigte sich Äolus von seiner Schokoladenseite. Eine feine, fast unmerkliche Brise wehte vom anderen Ufer herüber. Herr Schweitzer entzündete sein Zauber-Zigarettchen.
Keine Minute später klopfte ihm jemand von
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