Kunstraub im Städel
dass Frankfurt bald seine Gemälde wiederhat.“
Noch wusste Herr Schweitzer nicht, dass aus seinen letzten gehauchten Worten viel Wahrheit sprach. So viel Wahrheit, dass letztlich nur die Wahrheit selbst wissen konnte, was wahr war und was nicht. Denn kein Mensch sollte je mehr die Wahrheit erfahren – nicht einmal Museumsdirektor Mannsfeld.
Kurz vorm Hinübergleiten in die Traumwelt hatte Herr Schweitzer noch Hunde quaken und Frösche bellen hören. Die Träume selbst handelten von Gemälden, ölverschmierten Planken, kaputten Handys und hochnäsigen, Zigarren paffenden Detektivkollegen in von Beistelltischen flankierten Hängematten. Und sie waren alles andere als logisch. Wie Träume manchmal halt so sind. Oder die Welt.
–
Völlig atypisch war Herr Schweitzer nach läppischen sechs Stunden erwacht. Dafür war das Wetter wieder ganz nach seinem Geschmack: wolkenloser Himmel bei angenehmen Temperaturen. Obendrein durchflutete weiches, helles Licht das Zimmer.
Lieb Dich, bin einkaufen, dann bei Karin, erst spät zurück, Küsschen Maria
– der Zettel lag auf dem Küchentisch. Er setzte Kaffee auf.
Der Blick in den Spiegel war wenig verheißungsvoll. Herr Schweitzer sah aus wie ein recycelter Gammler. Das entsprach seinen Erwartungen. Er hatte das Gefühl, als rotte er langsam vor sich hin. Seine grauen, nicht zu bändigenden Haare standen nach allen Seiten ab. Notdürftig plättete er sie mit einer Handvoll Wasser, ehe er in die Küche zurückhumpelte.
Der heiße Kaffee tat ihm gut. Er hatte einen Entschluss gefasst, rief Marlon an und meldete sich krank, sein Knöchel sei verstaucht. Das war nicht mal gelogen. Doch der Hintergrund war ein ganz anderer: Er hatte nicht vor, sich von diesem Trottel Kurt die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Denn schließlich wusste momentan nur er, wo sich die Gemälde befanden. Wieder fertigte ihn Marlon kurz ab. Sagte nur, dass sei schon okay so, und beendete das Gespräch.
Herr Schweitzer wurde das Gefühl nicht los, dass ihm Marlon Smid etwas verheimlichte. Er nieste. Drei Mal hintereinander. Hoffentlich habe ich mich nicht auch noch erkältet, hoffte er.
Obwohl es wieder sommerlich warm war, duschte er heiß. So lange, bis die Haut schmerzte. Danach ging er an Marias Arzneischränkchen. Ein elfenbeinfarbener Blechkasten, den sie vor ein paar Wochen erst auf dem Flohmarkt am Sachsenhäuser Mainufer erstanden hatte. Auf der Tür prangte das Rote Kreuz. Seine Maria liebte so altes Zeug.
Mit einer dicken Schicht Tigerbalsam verarztete er seinen rechten Fuß. Dann verband er ihn und fixierte die Mullbinde mit einer Sicherheitsnadel. Zu einem Arzt zu gehen, kam nicht infrage. Die richten oft mehr Schäden an, als dass sie Schäden richten.
Warum er sich sein schieferfarbenes Hemd anzog, war ihm nicht klar. Ihm war einfach danach. Sonst trug er das gute Stück nur zu besonders feierlichen Anlässen.
Als er sich mit drei Scheiben Leberwurstbrot und zwei weiteren Tassen Kaffee gestärkt hatte, rief er sich ein Taxi.
–
Konsti und Benny hatten nicht vor, die Gartenlaube, die für gut vier Wochen ihr gemeinsames Zuhause gewesen war, noch einmal zu betreten. Ihre paar Habseligkeiten hatten sie in Sporttaschen verstaut, die sie in der Werkshalle deponierten, bevor sie sich ein letztes Mal zum Campingplatz Gaul aufgemacht hatten.
Konsti vermutete nicht ganz zu Unrecht, dass sie ihn bereits auf dem Kieker hatten. Seine Wohnung in Bornheim hatte er deswegen seitdem auch nicht mehr aufgesucht. In seiner Jackentasche steckte ein Bahnticket nach München, ausgestellt auf morgen früh. Dort würde seine Freundin auf ihn warten. In einem Rutsch sollte es dann mit ihrem Wagen, einem klappriger hellblauen Käfer, bis Thessaloniki gehen.
Doch noch war es nicht so weit. Konsti war ein wenig nervös, denn die entscheidende Phase stand kurz vor der Umsetzung: die Übergabe des Lösegeldes.
„Ich ruf jetzt diesen Mannsfeld an“, sagte er zu Benny, der neben ihm auf dem Barhocker saß. Die Kaschemme mit dem uralten Wirt war in den letzten Wochen zu so was wie ihrer Schaltzentrale geworden.
„Ja, mach das“, antwortete sein Kumpel, redselig wie eh und je.
Obwohl der Opa hinterm Tresen mal wieder eingeschlafen war, ging Konsti auf die Straße raus. Er dankte Gott dafür, dass die Sonne das schauderhafte Wetter der letzten Nacht endgültig vertrieben hatte. Zum Glück hatten noch Plastikmüllsäcke herumgelegen. Absicht war das keine. Wäre doch schade gewesen, wenn die hübschen
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