Kunterbunte Tiergeschichten
Zwergkaninchen zu kaufen. Sie hatten es sich
schon so lange gewünscht. Bei meiner älteren Tochter waren einige
Mädchen in der Klasse, die auch ein kleines Kaninchen hatten. Nun
redeten sie alle nur noch davon und machten mit ihrem Gerede auch
meine jüngste Tochter verrückt.
So fuhren wir eines Tages zu einer Zoohandlung, und die beiden
suchten sich ein niedliches schwarzes Kaninchen aus, das einen weißen Fleck auf der Brust hatte. Zu Hause kam es in ein Ställchen, das
draußen an einer windgeschützten Stelle stand.
Jeden Tag wurde das Langohr von den beiden sorgfältig mit Löwenzahn, Trockenfutter, hartem Brot und Heu gefüttert. Auch frisches
Wasser kam täglich in den kleinen Napf. Ab und zu wurde der Käfig
gesäubert, denn das Kaninchen sollte sich wohlfühlen. Die beiden
Mädchen spielten mit dem kleinen Kerl, ließen ihn an einer Leine
im Garten laufen, und hatten ihre Freude daran, wenn er ab und zu
Bocksprünge machte oder Haken schlug.
An einem Morgen, als die größeren Kinder in der Schule und die
Kleine im Kindergarten waren, ging ich in den Garten, um auch einmal nach dem Kaninchen zu sehen. Mein Cocker, der auch draußen
war, kam mir freudig entgegengelaufen und begleitete mich bis zum
Kaninchenstall. Aber was war das? Die kleine Stalltür stand weit
offen, und von dem Kaninchen war weit und breit nichts zu sehen.
Obwohl ich den ganzen Garten absuchte, war es nicht zu finden. Ich
schaute meine Cockerhündin prüfend an: ,,Steckst du dahinter, Peggy? Hast du es etwa aufgefressen?“ Die Hündin sah mich mit treuherzigen Augen an, gerade so, als ob sie keiner Fliege etwas zuleide
tun könnte. Dabei wusste ich doch genau, was für ein Schlawiner sie
war. Wie oft stöberte sie im Garten Igel oder Kaninchen auf, und ich
möchte nicht wissen, wie viele sie davon schon vertilgt hatte. Da kam
ihr dieses Hauskaninchen gerade recht. Sie war eben eine richtige
Jagdhündin, das Jagen steckte ihr im Blut.
Mir wurde eiskalt bei dem Gedanken an meine beiden Töchter. Was
sollte ich machen?
Auf jeden Fall musste ich schnellstens Ersatz herbeischaffen. Da unsere Hündin ja nicht reden konnte, würde niemand erfahren, was an
diesem Morgen wirklich geschehen war.
Ich schaute auf die Uhr. Es wurde höchste Zeit, ein neues Kaninchen
aufzutreiben, das fast genauso aussah wie unser altes. Denn wenn die
Kinder nach Hause kamen und ihr geliebtes Kaninchen nicht mehr
vorfinden würden, wäre ihre Traurigkeit unbeschreiblich groß. Und
dass Peggy vielleicht die Übeltäterin war, durfte ich mit keiner Silbe
erwähnen. Sonst hätte sie bei den Kindern für immer und ewig verspielt.
Also setzte ich mich ins Auto und fuhr eilig zur nächsten Zoohandlung, um nach einem beinahe gleich aussehenden Kaninchen zu suchen. Es war gar nicht so einfach. Schwarze Stallhasen gab es zwar
zur Genüge, aber keinen mit einem weißen Fleck auf der Brust. Die
Zeit drängte, also nahm ich kurzentschlossen eines mit einem weißen
Fleck am Schnäuzchen. „Besser dieses als gar keines“, dachte ich,
und fuhr mit einem etwas mulmigen Gefühl wieder zurück.
Kaum war ich auf dem Hof und hatte das Kaninchen in den Stall
gesetzt, kamen auch schon die beiden Mädchen mit ihren Fahrrädern
von Schule und Kindergarten zurück. Ihr erster Weg führte, wie an
jedem Tag, zu ihrem Kaninchen. Es wurde liebevoll gefüttert, gestreichelt und dann ein wenig mit ihm gespielt. Ich war gespannt, ob
sie etwas merken würden.
Da rief meine kleine Tochter plötzlich:,,Mutti, Mutti, komm ganz
schnell und guck dir Schnucki an. Es hat sich verfärbt. Der Fleck ist
von der Brust hochgerutscht bis zum Schnäuzchen.“
Aufgeregt betrachteten beide das kleine Tier und konnten gar nicht
fassen, was sie da sahen. Ich musste über ihre Ahnungslosigkeit leise
schmunzeln und meinte nur leicht hüstelnd:
,,Das ist ja nicht so schlimm, so etwas kann schon mal vorkommen.“
Damit gaben sie sich auch zufrieden, und sie haben nie erfahren, was
wirklich an diesem Tag geschah.
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