Kupfervenus
(damit niemand sich genieren würde, womöglich die Auslage durcheinanderzubringen). Da gab es saftige Datteln, mal mit ganzen, elfenbeinschimmernden Mandeln gefüllt, mal mit raffinierten Cremes in Pastellfarben farciert; knuspriges Gebäck, zu Halbmonden oder Rechtecken geformt, dick mit saftigen Früchten belegt und obenauf mit Zimt bestreut; frische kandierte Damaszenerpflaumen, Quitten und geschälte Birnen; Törtchen aus Eierschaum mit Muskatnuß besprenkelt und teils aufgeschnitten, damit man die eingebackene Schicht Hagebutten oder Holunderbeeren sehen konnte. An einer Seite der Bude stand ein Regal mit Honigtöpfen, den Etiketten nach aus Hymettus und Hybla; ja für den Liebhaber ausgefallener Partygeschenke gab es sogar ganze Honigwaben. Gegenüber glänzten dicke Stücke afrikanischen Mostkuchens neben anderen Kunstwerken aus der Konfiserie des Standinhabers, etwa seine in Milch getränkten Weizenmehlküchlein: Die wurden vor den Augen der Kundschaft aufgespießt, in Honig geschwenkt und zur Krönung mit kleingehackten Haselnüssen bestreut.
Ebenfalls eine Spezialität waren die Knuspertauben: ein Gedicht aus Kuchenteig, gefüllt mit Rosinen und Nüssen und nach dem Backen glasiert. Ich drückte mir gerade davor die Nase platt, als der Konditor neben mir auftauchte.
»Ah, wieder da! Und? Haben Sie das Haus gefunden, nach dem Sie suchten?«
»Ja, ja, danke. Ach, kennen Sie übrigens die Familie Hortensius?«
»Na, und ob!« Der Konditor war ein verhutzelter Kauz mit den behutsamen Gesten eines Mannes, dessen Beruf sehr viel Fingerspitzengefühl verlangt. Der Markisenpfahl, auf dem nicht, wie üblich, FRISCHE BACKWAREN stand, informierte die Kundschaft, daß sie hier von MINNIUS bedient wurden.
Ich wagte eine unverblümt dreiste Frage. »Und was sind das für Leute?«
»Ach, nicht übel.«
»Kennen Sie sie schon lange?«
»Seit über zwanzig Jahren! Als ich diese Brut aufgeplusterter Zwerghähne kennenlernte, waren sie noch Küchenjunge, Maultiertreiber und ein kleiner Wicht, der die Lampendochte stutzte!«
»Seitdem haben die sich aber ganz schön hochgearbeitet! Ich bin eben von den Frauen engagiert worden. Kennen Sie eigentlich auch Sabina Pollia?«
Minnius lachte. »An die erinnere ich mich noch aus der Zeit, als sie Friseuse war und Iris hieß!«
»Hallo! Und wie steht’s mit Atilia?«
»Die Intellektuelle! Na ja, die wird Ihnen erzählen, sie war Sekretärin, aber denken Sie dabei ja nicht an einen griechischen Stubengelehrten. Atilia hat die Wäscheliste zusammengekritzelt!«
Er gluckste vor Vergnügen über seinen eigenen Witz. »Damals habe ich auf dem Emporium Pistazien vom Tablett weg verhökert. Heute verkaufe ich immer noch Konfekt – in dieser Bude hier, die übrigens dem Lampenputzer aus dem Hortensius-Stall gehört. Wenn es überhaupt einen Unterschied macht, dann habe ich mich höchstens verschlechtert; die Kunden sind unhöflicher, ich zahle dem Schuft zuviel Miete, und mir fehlt es an Bewegung …«
Er schnitt einen weingetränkten Kuchen an, der vor Honig nur so triefte, und gab mir ein Stück zum Probieren. Es gibt Leute, die werfen einen Blick auf mein freundliches Gesicht und werden schlagartig von Abneigung befallen. Glücklicherweise weiß die andere Hälfte der Gesellschaft ein offenes Lächeln zu schätzen.
»Nun fragen Sie mich, wie die das anstellen!« Das hätte ich tatsächlich getan, wäre mein Mund nicht voll der köstlichsten Krumen gewesen. »Sogar als sie noch dem alten Paulus gehörten, waren die Jungs schon fleißige Unternehmer. Jeder von ihnen hatte einen Krug unterm Bett, der sich mit heimlich verdienten Kupfermünzen füllte. Sie hatten alle das Talent, Sonderaufträge für ein Extratrinkgeld zu ergattern. Wenn Ihre Pollia …«
»Iris!« Ich grinste mit klebrigen Lippen.
»Also, wenn Iris was geschenkt bekam – eine Haarnadel oder den Fransenbesatz von einem Kleid –, dann tauschte sie’s auf der Stelle gegen harte Denare ein.«
»Hat der alte Paulus das unterstützt?«
»Weiß nicht. Aber er hat’s durchgehen lassen. War ein liebenswerter Mensch. Und ein guter Herr erlaubt seinen Dienern zu sparen, wenn sie’s können.«
»Haben sie sich eigentlich selbst freigekauft?«
»Die Mühe hat Paulus ihnen abgenommen.«
»Ist er gestorben?«
Minnius nickte. »Er war Marmorschleifer von Beruf. Arbeit hatte er jede Menge, auch wenn er nicht reich damit geworden ist. Jedenfalls, als er abtrat, waren seine Leute im Testament großzügig bedacht.«
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