Kurpfalzblues
mit drei jungen Männern zusammen, die
sich regelmäßig in Rohrbach im Gasthof ›Roter Ochsen‹ trafen. Und dort ist
unsere Verbindung zu Hades. Der Einstieg in die Unterwelt!«
»Im ›Roten Ochsen‹?« Mengert war hereingekommen. »Also, wenn das der
›Rote Ochse‹ ist, den es da immer noch gibt, dann war ich da schon mal. Und ich
garantiere dir, da geht es nicht in die Unterwelt.«
»Der eleusische Bund«, sagte Arthur, und seine Stimme hörte sich an,
als verrate er ein Staatsgeheimnis. »Das ist die Verbindung zu Hades, die wir
finden sollten! Graf von Loeben, ein gewisser Strauß und einer namens Budde,
die drei, mit denen Eichendorff sich immer wieder im ›Roten Ochsen‹ traf. Ein
Dichterclub. Sie nannten sich der ›eleusische Bund‹. Und in Eleusis …«, seine
Augen weiteten sich ein wenig, »… in Eleusis ist nach der Mythologie ein
Eingang zum Schattenreich des Hades!«
»Eleusis?« Mengert lehnte sich an die Wand. »Wo soll das denn sein?
Im Odenwald?«
»In Griechenland. In der Nähe von Athen. Da hat nach der Mythologie
Demeter um ihre Tochter Persephone getrauert. Und dort kam Persephone wieder
aus dem Schattenreich hervor, wenn ihre vier Monate bei Hades um waren und sie
zurück zu ihrer Mutter auf die Erde durfte! Deshalb wurden über Jahrhunderte an
diesem Ort Feierlichkeiten abgehalten, die ›Mysterien von Eleusis‹!«
Arthur suchte schon wieder auf seinem Schreibtisch.
»Nun hör doch mal auf, Arthur!«, sagte Maria.
»Nein, nein, nein.« Er hob abwehrend die Hand. »Ihr müsst das sehen,
sonst versteht ihr es nicht.«
Er zog ein Blatt hervor, warf es achtlos zur Seite, zog ein neues
hervor und noch eines.
»Hier, das ist es! Seht euch das an!«
Es standen nur zwei Zeilen darauf, untereinandergedruckt.
Ich möcht am liebsten sterben
sterben vor Lieb und Verlangen
»Die obere Zeile ist von Eichendorff, aus dem Gedicht ›Das zerbrochene
Ringlein‹. Darin kommt der ›Kühle Grund‹ vor, das ist ein Tal in Rohrbach.
Katharina Barbara Förster hat in Rohrbach gewohnt, und es geht in dem Gedicht
eindeutig um diese unglückselige Liebesgeschichte. Und wie furchtbar
Eichendorff deshalb gelitten hat. Die untere Zeile ist von unserem Täter! Das
gleiche Thema: Todessehnsucht, weil es mit der Liebsten nicht klappt. Und nicht
nur das, sogar die Wortwahl ist zum Teil identisch!«
»Meinst du nicht, dass du dich da in etwas verrennst?« Mengert sah
ihn besorgt an. »Ich meine, das mit der enttäuschten Liebe, das kommt doch
schon mal öfters vor. Da gibt es wahrscheinlich auch noch andere, die da was
drüber gedichtet haben.«
»Es kommt ja noch besser.« Mit zitternden Händen wühlte Arthur noch
ein weiteres Blatt hervor. »Die letzte Strophe des Gedichts von Hades, das an
den Radiosender ging, lautet:
Kein Zauber war’s und nicht gelogen,
sein Reich war’s, wo sie eingezogen.
Und jetzt hört euch die letzten Zeilen des Gedichts ›Einzug in
Heidelberg‹ von Eichendorff an:
Und keinem hat der Zauber noch gelogen,
Denn Heidelberg war’s, wo sie eingezogen.
Er hielt das Eichendorff-Gedicht in die Höhe.
»Das ist kein Zufall! Das ist der entscheidende Fingerzeig! Und die
Richtung, in die wir sehen sollen, heißt: Eichendorff und sein gebrochenes
Herz! Für Eichendorff holt Hades die Braut! Eine Heidelberger Braut!«
Maria musterte Arthur. Inzwischen war sie sich sicher, dass er die
ganze Nacht im Büro verbracht und kein Auge zugetan hatte.
»Sarah Szeidel arbeitet in Rohrbach, Maria, er wird sie dort gesehen
haben.«
»Aber die arbeitet doch nicht im ›Roten Ochsen‹«, warf Mengert ein.
»Nein, aber er wird sie irgendwo in Rohrbach gesehen haben.
Vielleicht ist er häufig dort, so wie sein Idol Eichendorff. Weil er sich ihm
da besonders nahe fühlt.«
»Und Lea Rinkner?« Maria zweifelte. »Warum soll er die umgebracht
haben? Glaubst du, die hat er auch irgendwo in Rohrbach ausgespäht?«
»Nein, aber sie arbeitete in einer Apotheke. Da kann er sie gesehen
haben. Es ist der gleiche Typ, Maria, das hast du selbst erzählt. Lea Rinkner
und Sarah Szeidel sehen sich ähnlich. Und ich wette mit dir, dass sie beide
noch einer anderen Frau ähnlich sehen: Katharina Barbara Förster. Sie sind das
Abbild der Jugendliebe Eichendorffs!«
»Gibt’s denn ein Foto von der?« Mengert spähte auf den Schreibtisch.
»Nein, damals gab es noch keine Fotografien.« Arthur schaute erst zu
Mengert, dann zu Maria. Ein Blick voller Triumph, mit einem kleinen Hauch von
Wahnsinn.
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