Kurpfalzblues
»Ich weiß es einfach. Sie hat ihn sitzen gelassen. Sie ist an allem
schuld! Das ist mir jetzt völlig klar.«
Maria war auch einiges völlig klar. Zum Beispiel, dass Arthur
dringend eine Runde schlafen musste.
»Arthur, du gehst besser erst einmal nach Hause.«
»Maria!« Seine Stimme klang beschwörend. »Die Mitglieder des
eleusischen Bundes hatten alle Spitznamen. Graf von Loeben hieß Isidorus
Orientalis, Strauß nannte sich Dionysius! Und er ist Hades! Es ist sein Spitzname, seine zweite Identität. Er hat sich
selbst zum Mitglied im eleusischen Bund ernannt! Der Freunde von Eichendorff.«
»Du gehst jetzt nach Hause, schläfst dich aus, und wir denken in der
Zwischenzeit mal in Ruhe über deine Theorie nach.«
»Ihr müsst nur irgendwo eine Beschreibung von ihr finden. Katharina
Barbara Förster! Dann wisst ihr Bescheid. Ich habe recht, du wirst schon sehen.
Hades rächt Eichendorff!«
»Ab nach Hause. Ich diskutiere erst mit dir weiter, wenn du
ausgeschlafen bist.«
Arthur zögerte einen Moment, erhob sich dann aber erstaunlicherweise
ohne Widerworte vom Stuhl und holte seine Jacke aus dem Schrank. Er hatte die
Türklinke schon in der Hand, als er sich noch einmal umdrehte.
»Zweihundert Jahre, und es hat sich nichts geändert, Maria!«
Dann verschwand er.
»Was sollte das denn?«, fragte Mengert.
»Keine Ahnung.«
Aber Maria konnte sich denken, was Arthur damit meinte. Frauen, die
armen Männern von einem Tag auf den anderen das Herz brachen, Joseph von
Eichendorff und Arthur Pöltz, zwei Leidensgenossen.
Mengert nahm die Kaffeekanne vom Fensterbrett und setzte sich hinter
den Schreibtisch. Er schenkte sich in den roten Becher ein, der aus den
Papieren emporragte.
»Ziemlich abgefahren, was Arthur sich da ausgedacht hat, was?«
»Danke, dass du mir auch etwas anbietest. Wirklich sehr höflich.«
»Oh Mann«, fluchte Mengert. »Habe ich heute wieder Benimmstunde?«
»Vor allem solltest du dir eins merken: Wenn ich dir einen
Arbeitsauftrag gebe, dann heißt das auch, dass du ihn zu erledigen hast und
nicht Arthur!«
»Ich wusste ja nicht, dass der sich da so reinsteigert.« Mengert
nahm einen sauberen Becher von der Fensterbank, füllte ihn mit Kaffee und hielt
ihn ihr hin. »Was hältst du von dem Kram, den er sich da zusammengesucht hat?
Meinst du, da ist etwas dran? Ein fanatischer Eichendorff-Fan, der dabei ist,
durchzuknallen?«
»Ich weiß es nicht.«
Wenn Arthur nicht so aufgelöst gewesen wäre, würde es ihr sicher
leichter fallen, ihn ernst zu nehmen.
»Hier.« Mengert zog einen völlig zerknitterten Zettel aus seiner
Hosentasche hervor. »Ist ja nicht so, als hätte ich nicht auch etwas für Arthur
getan. Ich habe die Telefonnummern gecheckt, die diese Clothilde Pettke noch
geliefert hat.«
Er faltete das Papier auseinander.
»Den Typ von der ersten Nummer können wir streichen. Unter dem
Anschluss hat sich ein Mädel gemeldet, das jetzt vorübergehend in seinem Zimmer
wohnt. Der studiert Ethnologie und hockt seit drei Monaten auf Papua-Neuguinea
und forscht irgendwas. Und der andere …«
Mengert hatte offensichtlich Schwierigkeiten, seine eigene Schrift
zu lesen.
»Also der heißt … Karel Linden… Lindnar. Auch ein Student, Physik,
wohnt in der Weststadt. Lindnar war aber nicht zu Hause. Sein Mitbewohner
sollte ihm ausrichten, dass er sich bei uns meldet, sobald er da ist. Hat er
aber bis jetzt nicht getan.«
»Und der Englischkurs, in dem Lea Rinkner gewesen ist?«
»Alles nur Frauen. Da ist kein einziger Mann drin. Aber nach einer
Frau suchen wir ja nicht, oder?« Mengert schaute auf den Papierwust. »Sie
wollten uns auf jeden Fall die Teilnehmerliste faxen. Liegt vielleicht hier
schon irgendwo.«
Eine Frau als Täterin? Wie selbstverständlich waren sie alle davon
ausgegangen, dass Lea Rinkner von einem Mann ermordet worden war. Der Inhalt
der Gedichte hatte sie von Anfang an in diese Richtung gelenkt.
Und wenn das auch nur Manipulation war? So wie Leas Mörder sie dazu
gebracht hatte, Dinge zu veröffentlichen, die sie nicht hatten veröffentlichen
wollen. Leas Mörder? Eine Mörderin?
»Maria! Hey!« Mengert hatte über den Tisch gelangt und sie am Ärmel
gezupft. »Ich habe gefragt, was wir jetzt machen!«
»Räum das Chaos auf. Und dann schreibst du diese Theorie zusammen,
die Arthur uns eben erzählt hat, und stellst sie nachher in der
Mitarbeiterbesprechung den anderen vor.«
»Aber, Maria! Bitte, du …«
»Spar dir deine Zauberworte. Bei mir
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