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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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dem
Flughafen ankam, standen hunderte Frauen und Männer dicht gedrängt hinter der
Absperrung.
    Sie winkten ihr zu – Frauen, die alle völlig gleich aussahen, alle
mit dem gleichen Mann an ihrer Seite. Es war Doris Day in einem rosa Kostüm mit
einem kleinen Hut auf dem Kopf, der irgendwie nach Sahnebaiser aussah, daneben
Rock Hudson.
    Zwischen all den rosafarbenen Kostümen und schwarzen Anzügen aber
stand eine junge Frau, deren Haut und Haare genauso strahlend weiß waren wie
das lange Gewand, das sie trug.
    Um ihre Füße herum war alles nass, völlig reglos stand sie da, nur
ihre Haare schienen sich auf sonderbare Weise zu bewegen. Sanft wanden sich die
Strähnen um das schöne Gesicht, drehten sich um den schlanken Hals wie
Schlangen.
    Mit mechanischen Bewegungen hob sie ein Schild in die Höhe, so wie
es die Menschen taten, die jemanden am Flughafen abholten, den sie noch nie
gesehen hatten. Das Empfangskomitee für den fremden Gast.
    Es war ein großes weißes Pappschild, auf dem in blutroter Schrift
geschrieben stand: Sarah Szeidel .

Das Vermächtnis
    Als Maria am nächsten Morgen die Tür zur Abteilung aufzog,
flatterte ein Blatt Papier durch die Luft, tänzelte hin und her, vollführte
eine kunstvolle Pirouette, bevor es vor ihren Füßen endgültig zu Boden sank.
    Es standen vier Zeilen darauf. Maria konnte, auch ohne sie gelesen
zu haben, schon erkennen, dass es sich um ein Gedicht handelte.
    Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre wieder nach Hause
gegangen, hätte sich ins Bett verkrochen, die Decke über den Kopf gezogen, um
erst dann wieder zur Arbeit zu erscheinen, wenn dieser verdammte Hades in
seinem Schattenreich vermodert war.
    »Ich hasse ihn.« Sie bückte sich nach dem Blatt.
    Mengert kam aus seinem Büro. »Guten Morgen!«
    »Wann ist es gekommen?«
    »Oh, ich schätze mal so irgendwann Anfang bis Mitte 19. Jahrhundert.«
Mengert strahlte, als habe er einen Preis gewonnen.
    Maria hielt das Papier mit ausgestrecktem Arm vor sich hin und las:
    Schläft ein Lied in allen Dingen,
    Die da träumen fort und fort,
    Und die Welt hebt an zu singen,
    Triffst du nur das Zauberwort.
     
    Joseph von Eichendorff
    »Na, Gott sei Dank«, seufzte sie. »Ich dachte schon, Hades hätte
wieder gedichtet.«
    Mengert nahm ihr das Blatt aus der Hand.
    »Ist alles für den Bericht über diese Romantiker, den du haben
wolltest. Arthur meint, wir können ja nicht reihenweise Gedichte in der
Besprechung vorlesen. Er findet es besser, wenn wir sie in den Flur hängen.
Dann kann sie jeder selbst durchlesen.«
    Erst jetzt sah Maria, dass an der Wand etliche Gedichte aufgehängt
waren.
    »Was hat Arthur mit deinem Referat zu tun?«
    »Maria, du weißt doch, wie schlecht ich in diesen Sachen bin. Arthur
kann das viel besser als ich. Ich habe ihn gefragt, ob er mir hilft.«
    Er drehte das Blatt um.
    »Ah, das ist das mit dem Zauberwort. Das haben wir gleich ein
paarmal kopiert, weil es doch da oben steht. X-mal habe ich davorgestanden und
es nie kapiert.«
    Maria wusste, was er mit »da oben« meinte. Das Gedicht war in einen
Stein gemeißelt, der, mit dem Konterfei Eichendorffs versehen, in einer kleinen
Anlage auf dem Philosophenweg stand, einem Spazierweg, der nördlich des Neckars
auf halber Höhe am Hang des Heiligenberges entlangführte.
    Der Gedenkstein befand sich auf einem mediterran anmutenden Platz
mit Palmen, Blumenrabatten und Bänken, die zum Verweilen einluden. Ein Platz,
an dem wahrscheinlich fast jeder Heidelberger schon einmal gewesen war.
    Man sah von dort aus auf den Neckar und die Häuser der
gegenüberliegenden Altstadt, auf die Alte Brücke mit ihren dicken weiß-roten
Türmen. Die ganze Stadt lag dem Betrachter hier zu Füßen, und wenn man Glück
hatte, glitzerte der Fluss im Sonnenschein, oder eine Wolke schmiegte sich ins
Neckartal.
    Ein Anblick, bei dem so mancher Spaziergänger ins Schwärmen geriet,
und damit sicher ein passender Ort, um einen Dichter der Romantik zu ehren, der
Heidelberg in den höchsten Tönen gelobt hatte.
    »Für mich war das Zauberwort immer ›bitte‹.« Mengert schaute suchend
zu Boden. »Als ich klein war, hat meine Mutter oft gefragt: Wie heißt das
Zauberwort? Und das war immer ›bitte‹, das garantier ich dir. Einmal ›bitte‹
gesagt, Mutter war zufrieden, und du hast gekriegt, was du wolltest. Ah, da ist
sie ja!«
    Er hob die Heftzwecke auf, mit der das Papier an der Wand befestigt
gewesen war.
    »Aber inzwischen glaube ich, dieser Eichendorff

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