Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
katalysieren also den Kernumwandlungsprozeß. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, was es für Folgen hätte, wenn man diese Reaktion in die Hand bekäme. Da zum Beispiel die Energieausbeute von der Katalyse unabhängig ist, könnte man Kernfusionsreaktoren bauen, die weder Höchsttemperaturen noch Strahlung abzufangen haben, sie könnten, wie mir Fachleute versichern, in ihrer Masse auf zwölf bis dreizehn Prozent der jetzigen verringert werden.
    Wir alle kennen uns ein wenig im Raum aus und wissen, was das für die Raumfahrt bedeuten würde. Aber auch das Gegenteil ist bedenkenswert, also nicht die Energieerzeugung, sondern die Stoffumwandlung. Man könnte daran denken, den Prozeß so zu steuern, daß aus einem beliebigen Ausgangsstoff – ob nun Wasserstoff oder Sauerstoff oder Kohlenstoff – ein gewünschter anderer Stoff entsteht oder ein gewünschtes Gemisch anderer Stoffe. Aus all diesen Gründen halte ich es für nötig, daß ein Weg gefunden wird, wenigstens mit den Bläschen des zweiten Stadiums weiterzuexperimentieren. Denn ich bin überzeugt“, er konnte es sich nun doch nicht versagen auszusprechen, was er eigentlich hatte für sich behalten wollen, „überzeugt, daß die Menschheit sehr bald dazu übergehen wird, ihre Nachbarplaneten zu besiedeln, und da ist die Umwandlung der Atmosphären das entscheidende Problem!“
    Stellenweise tönte aus dem Saal Gelächter. Ruben störte es nicht, denn er sah, daß die Schlichterin ihn sehr aufmerksam und nachdenklich betrachtete.
    Obwohl die Möglichkeiten einer Anwendung nicht direkt etwas zu tun hatten mit ihrem Spruch, halfen Rubens Gedanken Sibylle doch, ihr Problem unter einem Blickwinkel zu sehen, der ihr letztlich die Lösung ermöglichte.
    Es war, als täte sie plötzlich einen tiefen Blick in die allgemeinen Zusammenhänge ihrer Wissenschaft. Das gesamte Projekt Raumkrümmung war ja fast ausschließlich ausgerichtet auf Erkenntniszuwachs in den Grundlagen des Wissens; praktische, also technisch nutzbare Ergebnisse erwartete man höchstens im Zusammenhang mit neuen Meßtechniken, die dabei entwickelt wurden. Eigentlich waren aber auch praktisch nutzbare Ergebnisse kaum gefragt, denn die Stabilität hatte das Tempo technologischer Umwälzungen stark gesenkt. Ruben nun hatte Anwendungsmöglichkeiten benannt, die zwar auch perspektivisch waren, aber durchaus für ein Menschenalter und nicht für unbestimmbare Zukunft wie der allgemeine Wissenszuwachs. Trotz des Lachens mancher Zuhörer sah Sibylle sofort, daß diese Möglichkeiten den Forschungsarbeiten ungeheuren Auftrieb geben würden. Sie spürte das ebendeshalb, weil es normalerweise ihre Arbeit als Dokumentarist war, Anwendungsmöglichkeiten für gewonnene Erkenntnisse zu finden oder zu eröffnen, seien sie praktisch-technisch oder kognitiv für andere Wissenschaften.
    Während noch viele glänzende und wichtige Beiträge geliefert wurden, auch von außerhalb, formulierte sich in Sibylles Kopf schon der Spruch. Er mußte dort eine Grenze setzen, wo das Bläschen zur Zeit außer Kontrolle geriet, und den zweifellos entstehenden Ansporn für die Praxis berücksichtigen. Und je länger sie darüber nachdachte, um so mehr Beiwerk strich sie in Gedanken. Und das blieb am Ende übrig:
    „Bis tiefere Erkenntnisse vorliegen, ist mit dem ersten und zweiten Stadium des Bläschens weiterzuexperimentieren und die Entstehung des dritten Stadiums zu vermeiden.“

7
    Wegen der Flattermänner hatte Wenzel sich an den zuständigen Bezirksratgeber gewandt und zunächst, fernmündlich, nicht mehr erfahren, als er sich ohnehin hatte denken können.
    Die als Sekten bezeichneten Gruppen waren eins der anscheinend unlösbaren Probleme der Stabilen Gesellschaft. Sie hatten allerdings, im Gegensatz zu früheren Zeiten, nur noch selten etwas mit Religion zu tun. Nachdem bei den großen Religionen die kirchlichen Hierarchien verschwunden waren, wie alle anderen gesellschaftlichen Hierarchien auch, hatten sich die Gemeinden, also die lokalen Organisationen, als außerordentlich langlebig erwiesen und waren nicht, wie manche Theoretiker erwartet hatten, abgestorben. Sie hatten gewisse Erstarrungen, die die hierarchische Ordnung gekennzeichnet hatten, überwunden und boten jedem religiösen Gefühl und Bedürfnis genügend Toleranz. Und das Bedürfnis gab es immer noch und würde es wohl auch noch einige Jahrhunderte geben. Es stabilisierte sich eben alles in dieser Gesellschaftsphase.
    In früheren Epochen waren die

Weitere Kostenlose Bücher