Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
sie versuchen es immer wieder. Zum Glück sind ein paar davon auch ausgezeichnete Selbstheiler. Wir haben mit den Leuten geredet, wir haben den Stadtbezirksratgeber darauf aufmerksam gemacht, es nützt nichts. Die sagen, das Gefühl zu fliegen hätten sie schon gehabt, sie müßten sich nur noch mehr konzentrieren, dann würde es auch klappen.“
    Wenzel erschrak tief. Der Enthusiasmus der letzten Tage und Stunden war wie weggewischt. Es wäre eine gefährliche Illusion gewesen, weiterhin zu hoffen, daß die neue Kraft hauptsächlich positive Folgen zeitigen würde.
    „Spirale“, sagte Pauline, die wohl das gleiche fühlte.
    „Was für eine Spirale?“ fragte Hasgruber verdutzt.
    „Wir laufen nicht im Kreis, sondern in einer Spirale. Wir sind jetzt eine Windung über Otto Mohr“, erklärte sie.

    Die Schlichtung hatte weite Kreise gezogen. Das war kein Wunder, denn Schlichtungen dieser Art waren große Ereignisse im wissenschaftlichen Leben, sie fanden nicht oft statt, nur wenn eine Frage auf die Spitze getrieben war, dann aber wurden sie meist zum Ausgangspunkt neuer Entwicklungen. Und da der Fall eine Grundsatzfrage des Forschens einschloß, nämlich die nach eventuellen Grenzen des Experimentierens, war das Interesse weltweit.
    Die Verhandlung war zwar nicht in das öffentliche Fernsehprogramm aufgenommen worden, aber fast alle wissenschaftlichen Zentren hatten einen Übertragungskanal bestellt. Und Sibylle wußte, daß auch Wenzel Kramer in Berlin zusehen würde – sie hatten inzwischen mehrmals miteinander gesprochen, fernsichtlich, versteht sich, weil Wenzel noch Einzelheiten über die Geschichte beim Computerexperiment wissen wollte, auch Grundsätzliches über die EGI, die Ensemblegesteuerte Intuition, insbesondere, ob dabei G-Spindeln im Enzephalogramm auftraten, und es hatte sich herausgestellt, daß das der Fall war. Und nun war auch ein Besuch Wenzels in Sternenstadt verabredet worden.
    Das alles aber mußte sie jetzt weit von sich wegschieben. Der große Saal von Sternenstadt begann sich zu füllen, sie war ein wenig aufgeregt und überdachte deshalb noch einmal die Prinzipien, die sie sich für ihren Spruch zurechtgelegt hatte. Die waren beileibe nicht alle ihrem Kopf entsprungen, sondern fußten auf früheren Sprüchen mit ähnlicher Thematik – zum Beispiel war die Verlegung der Bläschen-Experimente in den Raum zwischen Venus und Merkur ebenfalls das Ergebnis einer Schlichtung gewesen.
    Ihr erstes Prinzip, auf dem sie fußen wollte, lautete: Wenn eine Katastrophe nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dann darf nicht weiterexperimentiert werden. Das zweite hieß: Tritt dieser Fall ein, muß gesagt werden, wie die Forschung weitergehen soll. Sie wußte noch nicht, ob sie bis zum Ende bei diesen Prinzipien bleiben würde, hatte sich aber vorgenommen, nicht leicht von ihnen abzurücken.
    Zwei Techniker und ein wissenschaftlicher Berater saßen schräg unter ihr – die Techniker für auswärtige und innere Verbindungen zuständig, für den Fall, daß sich jemand zur Debatte meldete, der nicht im Saal war, und der wissenschaftliche Berater für das Archiv der Schlichtungen, das für Abfragen zur Verfügung stand, auch wenn Sibylle selbst eigentlich nicht die Absicht hatte, es zu benutzen.
    Die Techniker und der Berater hoben die Hand – alles war bereit. Sibylle eröffnete die Schlichtungsverhandlung und gab den Kontrahenten das Wort – zuerst Akito, die ihren Antrag auf Einstellung der Versuche begründete, dann Esther, die für die Weiterführung der Experimente mit den Blastulae auf der Anlage Blastron argumentierte.
    Das dauerte eine knappe Stunde, da jede von beiden ihre Überlegungen mit Berechnungen stützte, die vorgeführt sein wollten, und zwar für die Mehrheit verfolgbar. Denn wenn die Berechnungen auch in erster Linie auf das Für und Wider dieser Sache gerichtet waren, so hatten sie doch über weite Strecken durchaus Eigenwert und enthielten Ansätze zu einer Reihe neuer Ideen, ja vielleicht sogar künftiger Forschungsprogramme.
    An sich war es zu früh für eine Pause, aber Sibylle wußte sich im Vorteil gegenüber den anderen Teilnehmern im Saal und an den Übertragungsorten – sie hatte die Vorträge von Akito und Esther in schriftlicher Form schon seit drei Tagen in der Hand. Und sie sah auch, daß viele im Saal immer noch mit dieser oder jener Berechnung beschäftigt waren, die an den Schirmflächen stehengeblieben waren.
    „Ich unterbreche die Verhandlung für eine

Weitere Kostenlose Bücher