Kurs Minosmond
nicht aus diesem Kiez?“
„Kommen Sie, gehen wir zu den andern!“ sagte Pauline. Je weiter weg vom Abhang, um so besser, dachte sie. Im Augenblick schien zwar die Entschlossenheit der Flattermänner einer allgemeinen Unsicherheit gewichen zu sein, aber das konnte sich ja wieder ändern, und absolut sicher durfte Pauline erst sein, wenn die Ordnerschule hier war – bis dahin mußte sie diese sonderbare Sympathiegemeinschaft hin- und von deren Sport abhalten. Zum Glück nicht mehr ganz allein, denn jetzt kamen zwei Männer den Berg heraufgelaufen, der eine war dem Gesicht nach der Ordner, der sie angerufen hatte, und der hatte wohl noch jemanden zur Hilfe mitgebracht.
„Nein, ich bin nicht von hier“, sagte Pauline, „aber da kommt ja wohl jemand, der Sie kennt!“
Pauline und die beiden anderen Ordner verständigten sich durch einen Blick – mehr war nicht nötig, denn die Taktik ergab sich aus der Situation: Jeder von den dreien verwickelte einen Teil der Flattermänner in eine Diskussion und versuchte dabei, sie immer weiter vom Abhang wegzuziehen, so daß sie zu keiner gemeinsamen Handlung fähig waren, und auf Einzelaktionen waren sie wenigstens heute wohl nicht aus.
Die Diskussion drehte sich mehrmals im Kreise von Sollen und Wollen und Können und Dürfen, sie führte zu nichts als dazu, die Leute festzuhalten, und das war ja auch ihr Ziel. Trotzdem spürte Pauline, daß sie die Flattermänner nicht mehr lange würden hinhalten können; eine neue Entschlossenheit schien aufzukommen – zunächst gegen sie gerichtet, der Umgerissene erklärte, er werde den Schlichter anrufen, und Pauline entgegnete, dazu sei sie als Ordner sowieso verpflichtet, da sie körperliche Gewalt angewandt habe, was den Beschwerdeführer für den Augenblick still werden ließ, denn so angenehm war ihm der Gedanke an den Schlichter wohl doch nicht. Trotzdem atmete Pauline auf, als ein kleiner E-Bus den Weg heraufkam und etwa zwanzig junge Leute heraussprangen: die Ordnerschüler. Pauline lief auf den Lehrer zu, den sie noch kannte, und sagte: „Ziehen Sie einen Kordon zwischen den Leuten und dem Abhang, schnell, Erklärung dann.“
Pauline stellte sich in die Mitte, bat um Aufmerksamkeit und sprach: „Hier wird heute nicht gesprungen. Bitte gehen Sie nach Hause und warten Sie den Spruch des Schlichters ab!“
Die Reaktion war unterschiedlich. Einige schienen empört zu sein und protestierten, andere schienen sich darein zu schicken und machten Anstalten, den Gipfel des Mont Klamott zu verlassen. Diese Unterschiedlichkeit war wohl die beste Gewähr dafür, daß in einiger Zeit, vielleicht in einer halben Stunde, vielleicht auch später, alle Flattermänner wenigstens für diesmal nach Hause gingen.
Und dann kam Wenzel. Er ließ sich von Pauline erzählen, was sich abgespielt hatte. Sie hatte das kaum in wenigen Sätzen berichtet, als der erste Oberflattermann sich dazugesellte; er hatte wohl zu Wenzel aus irgendeinem Grund mehr Zutrauen als zu Pauline und den Ordnern, vielleicht dachte er auch, der Ältere sei ein Mann mit mehr Einfluß.
Wenzel konnte sich nun, da die akute Gefahr behoben war, interessiert zeigen an dem, was der Flattermann vorzubringen hatte, und an der ganzen Menschenfliegerei überhaupt. Das war auch nötig, denn mit der heutigen Verhinderung der drohenden Katastrophe war ja das Problem nicht gelöst.
Der Mann erzählte, daß sie schon das deutliche Gefühl des Schwebens und Fliegens erreicht hätten und daß es nur von weiterer kollektiver Anstrengung abhinge, das zu einem regelrechten Flug auszudehnen, was nur diese empörende Behinderung durch die Ordner verhindert habe, aber darüber sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es sei ja nun mal so: Erst der praktische Erfolg werde die Skeptiker überzeugen, und da man Angst habe, sich überzeugen lassen zu müssen, versuche man zu verhindern, daß es zu diesem Erfolg kommt.
Wenzel unterbrach die Tirade. „Würden Sie mir das mal vorführen? Ich meine, nicht am Abhang, sondern…“, er sah sich um, „vielleicht dort von der Parkbank? Und würden Sie dazu diesen Stirnreifen mit EEG-Elektroden aufsetzen?“
Der Flattermann willigte ein, sagte aber, er brauche einige Zeit, um sich zu konzentrieren, die ihm Wenzel selbstverständlich zubilligte.
Pauline war klar, was Wenzel vorhatte, er wollte wissen, ob auch hier die G-Spindeln auftraten. Der Lehrer der Ordnerschule, der das nicht wissen konnte, verstand nicht, warum der Flattermann auf einmal
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