Kurs Minosmond
für zwei, drei Sekunden, dann beugte er sich wieder vor. Er mußte die Minuten nutzen. Zuerst sah er sich die Biowerte seiner Gefährten an. Die EEGs zeigten unterschiedliche Schlaftiefe, zwei waren in der rem-Phase, es schien sich alles normal zu entwickeln. Hoffentlich. Es würde wohl viel Arbeit kosten, der Sache auf die Spur zu kommen. Denn für ihn und seine Freunde war die Hauptsache natürlich nicht die Stillegung der Anlage und die Beseitigung der Gefahr, sondern der bisher noch unbekannte Ausgang des Experiments. Nach sechs Jahren Arbeit die Lebensdauer des Bläschens vervielfacht, und dann nicht wissen, was daraus geworden ist – das wäre!
Als zweites kontrollierte er noch mal die Verbindung zur Anlage; sie war nach wie vor gestört. Dann wandte er sich der Navigation und dem Antrieb des Zollstocks zu und bereitete sie auf den Start vor, programmierte auch den Flug, denn er wollte in der Zwischenzeit bis zur Ankunft ungestört arbeiten. Schließlich – er überschritt die fünf Minuten wiederum – programmierte er die Radarbeobachtung der Anlage: Wenn sich da etwas änderte, zum Beispiel das Pendeln in Drehung überging, sollte der Automat das melden.
Dann ließ er die inzwischen eingelaufenen Antworten der drei Konferenzteilnehmer auf Gagarin abspielen.
„Bei der Energiedichte der dort installierten Laser“, sagte der Experte, „gibt es keinen wirksamen passiven Schutz gegen den Strahl. Selbst dichter Staub wird innerhalb einer Mikrosekunde unwirksam, weil die in den Strahl einfallenden Teilchen so enorm beschleunigt werden, daß sie nicht nur aus dem Strahl mit hoher Geschwindigkeit fliehen, sondern dabei auch noch die Umgebung ionisieren. Da es jedoch bei den Ionisierungsstößen eine Rückwirkung gibt – Teilchen werden in den Strahl geschleudert –, läßt sich dieser Prozeß optimieren, wenn man die Staubdichte steuern kann, aber, wie gesagt, höchstens bis zu einer Mikrosekunde. Die Wandung des Raumschiffs würde etwa hundert bis zweihundert Mikrosekunden standhalten. Das genügte, falls der Strahl in die Ekliptik dreht, solange Sie auf Ihrer jetzigen Position bleiben. In der Nähe der Anlage jedoch reicht das nicht mehr, wegen der Winkelgeschwindigkeit. Sie könnten dem Problem aus dem Wege gehen, wenn Sie nicht direkt zur Anlage fliegen, sondern im Halbkreis, so daß Sie sich bahntangential nähern, da ja die Laser, bezogen auf die Sonne, die Ekliptik radial schneiden würden. Allerdings brauchten Sie mehr Zeit, und es entstünde Zentrifugalbelastung für Ihre Gefährten. Ich stehe Ihnen für die gesamte Dauer der Operation zur Verfügung.“
„Ich ebenfalls“, erklärte der Steuerungstechniker. „Das Computermodell ist bereits in Betrieb. Es gibt Aussagen, die nicht uninteressant sind, allerdings werden Sie sie erst brauchen, wenn Sie dort sind. Ich überspiele sie Ihnen auf Speicher wie auch die Optimierungsdaten des Laserspezialisten für Ihre eventuellen Staubschüsse. Allerdings habe ich noch eine Frage: Warum halten Sie die erste Variante – Zerstörung der Anlage – für unannehmbar? Doch nicht wegen des materiellen Schadens?“
„Ich beginne mit der Feststellung“, sagte die Ärztin nun, „daß wir alle drei keine schwerwiegenden Fehler oder Unterlassungen in Ihrer Lagebeurteilung entdecken können und uns also Ihren Schlußfolgerungen anschließen. Für Ihre Gefährten ist das wichtigste, daß sie nicht durch äußere Ereignisse geweckt werden, sondern sozusagen ausschlafen. Ich habe Ihnen ein Programm zusammengestellt, das soll jeder ihrer Gefährten nach dem Wachwerden absolvieren. Wenn das fehlerfrei geschieht, ist der Betreffende einsetzbar, soweit das überhaupt zu beurteilen ist; wenn nicht, ist es besser, er schläft weiter – so er kann, aus eigener Kraft, andernfalls mit Hilfe von Medikamenten. Hypnose und Autosuggestion in welcher Form auch immer würde ich so kurz nach dieser psychischen Implosion ablehnen.“
Psychische Implosion – noch nie gehört, dachte Ruben als erstes, vielleicht hat sie den Ausdruck gerade erfunden. Und erst bei diesem Gedanken wurde ihm klar, wie erregt und gefesselt auch seine Partner auf Gagarin sein mußten. Er entschloß sich deshalb, doch auf die Frage des Steuerungsmanns zu antworten.
„Die Gründe dafür, daß die Zerstörung der Anlage unannehmbar ist, liegen außerhalb der gegenwärtigen Situation, deshalb habe ich sie nicht genannt. Das Experiment, das dieser Störung vorausging, hat wahrscheinlich bahnbrechende
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