Kurs Minosmond
Ergebnisse geliefert; aber der größte Teil davon ist im jetzigen Zustand der Anlage verschlüsselt. Ich bin überzeugt, meine Kollegen würden – wie auch ich – eher die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung in Kauf nehmen als auf diese Ergebnisse verzichten.“
Ruben unterbrach und schaltete das Logbuch dazu.
„Mein Entschluß: Ich fliege mit Mindestschub in Richtung Anlagezentrum. In der zweiten Hälfte des Fluges, bei der Bremsung, werde ich seitlich auslenken, so daß VRIII außerhalb des Schwenkbereichs der Laser ist, wenn der Kraftstoff der Steuerdüsen bei der Anlage verbraucht ist. An Ort und Stelle werde ich mich nach der entstandenen Situation richten, also danach, wie sich die Anlage verhält, sowie danach, wie viele von meinen Kollegen wieder einsatzbereit sind. Ich starte.“
Nach dem Start schaltete er die verschiedenen vorbereiteten Programme ein, anhand deren der Computer ihn verständigen sollte, falls sich irgend etwas änderte. Denn er selbst hatte etwas anderes vor.
Er holte sich die Aufzeichnung der letzten Minuten des Experiments auf den Schirm. „So“, sagte er, „nun wollen wir mal sehen, was eigentlich passiert ist.“
Als Wenzel mit der Physikerin zurückkam in das Ratgeberhaus, fand er dort eine bunte Gesellschaft vor – und neue Ergebnisse. Außer der Ratgeberin, Pauline und Dr. Hasgruber warteten noch zwei Fremde auf ihn, und einer davon war ein Asiat, ein Inder, wie er später erfuhr. Sie waren zu Pferde gekommen, aus einem nicht allzu weit entfernten Dorf, und daß sie nun hier waren, war Paulines Verdienst. Sie hatte sich an den Besuch des Inders vor einem Jahr erinnert wie auch daran, daß er ein Kunstgenosse von Otto Mohr war, der eine Studienreise durch Europa machte, und sie hatte den nächstwohnenden Glaskünstler angerufen und nach geduldigem Herumvideofonieren schließlich den Inder ganz in der Nähe gefunden. Der war denn auch gleich zusammen mit seinem jetzigen Gastgeber gekommen.
Der Inder, den man hier in guter Erinnerung hatte, bekam als am weitesten gereister Gast den Ehrenplatz an der Abendtafel, zu der die Ratgeberin und ihr Mann nun einluden.
Der Tisch war im Familienzimmer gedeckt. Der Raum, wie in den meisten Häusern dieser Region der Geselligkeit vorbehalten, wirkte anheimelnd auf Wenzel. Bilder und kleine Tonfiguren, sparsam verteilt, Arbeiten der beiden Wirtsleute, schufen eine überraschend harmonische Stimmung. Ein phantasievoller Raumteiler aus grünen Glaselementen, die Pflanzenteilen ähnelten, trennte den Eßplatz ab – sicherlich ein Werk des Toten, allerdings außer in Farbe und Material ohne jede Ähnlichkeit mit dem in Mohrs Haus.
Der Hausherr servierte den ersten Gang, setzte sich dann auch und hob das Glas mit einem orangefarbenen Aperitif. „Sie sehen mich“, sagte er, „im Zwiespalt zwischen der Trauer um unseren Nachbarn und der Freude, so viele Gäste zu bewirten, darunter so weitgereiste“, er verbeugte sich zu dem Inder, „so hochgestellte, wie unsere Vorväter gesagt hätten“, er verbeugte sich zu Wenzel, „und so lang entbehrte!“ Er verbeugte sich zu Sibylle. „Es ist nicht meine Sache, die Totenrede zu halten, aber es ist an mir, den Nachbarn mit einem Essen zu ehren, wie denn jedermann mit seiner Hände Werk seine Nachbarn zu ehren pflegt. Möge uns das Essen vereinen, damit es nicht nur dem Körper, sondern auch Geist und Seele neue Kräfte zuführt, wie wir sie zur gemeinsamen Klärung seines Todes brauchen. Auf das Wohl der Lebenden!“
Das Essen war vorzüglich, aber es verlief trotz der aufmunternden Tischrede sehr ruhig, manchmal wurde die Stille mit fast geflüsterten Bitten zum Zureichen eher noch betont als unterbrochen. Wenzel war diese Pause sehr recht, denn er konnte die Zeit nützen, alles noch mal zu überdenken, was er bisher erfahren hatte.
Dr. Hasgruber hatte nun endgültig ausgeschlossen, daß irgendein Gift im Spiel war. Medizinisch gesehen also – und das war augenscheinlich das schwierigste an diesem Fall – konnte der Tote gar nicht gestorben sein. Das zum ersten.
Zweitens hatte die fleißige Pauline nicht nur den Inder herbeigeholt, sondern auch fast alle Einwohner des Vorwerks befragt wie auch ein paar Leute aus dem Dorf, die öfter hier waren, junge Leute meist, die Freund oder Freundin hier hatten. Ergebnis: Otto Mohr hatte – mindestens im letzten Jahr – außer zu seinen Dienstkollegen und zu einigen Glaskünstlern, darunter dem jetzt hier an der Tafel sitzenden Inder, kaum
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