Kurs Minosmond
die Programme waren eingegeben, die Anlage war bereit, und der Zollstock lag wieder an seinem Stammplatz. Seine Besatzung aber ging erst einmal schlafen. Diesmal geschah das nicht ohne Murren, Ruben vor allen anderen war ungeduldig, verständlicherweise, doch er wußte, daß er unrecht hatte, und dieses Wissen hinderte ihn mehr, sich durchzusetzen, als der Widerstand der anderen, die ja ebenfalls neugierig waren.
Frühstück, Training, etwas Musik mit Farbspielen – und dann war es soweit. Eine Serie automatisch gesteuerter Experimente sollte Rubens Idee ausprobieren. In jedem Versuch war das Alter des zweiten Bläschens und dessen Standort im Augenblick der Schrumpfung des ersten ein wenig verschoben. Auch Ruben – und ebenso gewiß auch die andern – dachte nun etwas ruhiger an diese Versuchsserie als gestern, da der Einfall noch neu war. Es wäre unsinnig gewesen, zu erwarten, daß der Erfolg sich sofort einstellen würde. Aber daran, daß es vorwärtsging, zweifelte er nicht mehr.
Diese automatische Versuchsserie verfolgten alle mit sichtlich höherem Interesse, als das sonst der Fall war – ein Zeichen, daß auch die andern etwas erwarteten. Aber der Erfolg ließ sich Zeit. Da sie hierbei nicht im entferntesten so beansprucht waren wie bei der EGI, hatten sie die Serie sehr groß angesetzt. Nach zwei Stunden erst, es war der zweiundsechzigste Durchlauf, trat das Erwartete ein: Die beiden Bläschen vereinigten sich zu einem stabilen Gebilde, das keine Energie mehr aufnahm, jedenfalls nicht in den Größenordnungen, wie sie von den Lasern angeboten wurden.
Freude, Gratulation an Rubens Adresse. Hochspannung. Das Stadium-zwei-Bläschen existierte. Es lag stabil und passiv in der Magnetflasche. Und nun?
Jetzt war der Punkt erreicht, an dem schon vorher die Meinungen auseinandergegangen waren. Aber erst einmal waren die Daten der Umwandlung so interessant, daß sich alle nur damit beschäftigten. Und sie sahen dann auch ein wenig anders aus als die der ersten Umwandlung, damals. Schon das war Stoff genug für die theoretische Bearbeitung, das Haselnußmodell konnte bestimmt daran verfeinert werden.
Fünf Minuten existierte das Bläschen jetzt, bald würde es die Zeit des ersten übertroffen haben, es war dies ein Punkt, der noch einmal großes Interesse hervorrief: Würde auch dieses Exemplar zerfallen und sich davonmachen? Nein, es blieb weiter in der Flasche, zehn Minuten, fünfzehn Minuten – und dann, als man schon anfing, sich hin und wieder anderen Dingen zuzuwenden, war es plötzlich verschwunden.
Erneut hatte es sich aus der Fesselung befreit, indem es die elektrische Ladung in Form von Elektronen abgestoßen hatte, die Synchrotronstrahlung war exakt gemessen worden, einzelne Werte des Vorgangs lagen etwas anders als beim erstenmal, das alles war interessant, aber das. wichtigste war: Das Stadium zwei war nicht einmalig geblieben, man konnte es reproduzieren, und seine Erforschung würde nun beginnen.
Explodiert freilich war das Bläschen nicht. Wohin es verschwunden war, davon gab es keine Spur.
„Vielleicht trifft es irgendwo auf einen Planeten, ein Stäubchen oder ein Atom und explodiert“, sagte Esther als eine Art Nachruf.
„Ich weiß nicht“, warf Ruben ein.
„Was heißt: ‚Ich weiß nicht‘?“
„Ich bin draufgekommen“, erklärte Ruben langsam, „weil ich mir gedacht habe, das Bläschen mit dem Normalteilchen im Kern sei so etwas wie ein exotisches Atom, etwa wie das Mesonium, im Vergleich zu einem normalen Atom. Und das normale Bläschen im Stadium zwei sei dann eins mit einem Kern seiner eigenen Art. Und das wäre dann möglicherweise viel stabiler. Oder reaktionsfähiger. Oder – ich weiß nicht.“
„Ich weiß, es ist nicht sehr gastfreundlich“, sagte die Ratgeberin zu Wenzel, „aber ich muß es Ihnen sagen: Wir brauchen hier im Vorwerk jetzt unsern Ordner. Es wird bald Sommer, die Jugend schwärmt aus in die Landschaft, und jemand muß nach dem Rechten sehen. Voriges Jahr hätten wir bald eine Brandrodung erlebt wie im Mittelalter.“ Sie seufzte etwas unglücklich. „Also wenn Sie Pauline behalten wollen, dann muß jemand neu eingesetzt werden. Andernfalls muß das Mädchen hier seinen Dienst tun.“
„Wir regeln das“, versprach Wenzel, der eben in Begleitung von Pauline und Klara Mannschatz aus Berlin zurückgekommen war und nun eigentlich mit der Ratgeberin über Unterbringung und Verpflegung hatte reden wollen.
„Sie haben noch jemanden mitgebracht, wie
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