Kurs Minosmond
nicht an und explodierte nach der gewohnten Minute.
Niemand war enttäuscht, schließlich konnte nicht jeder Einfall zu etwas Neuem führen. Auch der nächste Durchlauf endete mit dem gleichen Ergebnis. Ebenso der dritte.
Aber ganz ergebnislos waren diese Experimente nicht; jedesmal trat die Schrumpfung auf, und das bewies, daß sie auch gegen größere Änderungen des Ablaufs stabil war, und das wiederum bedeutete wohl, daß sie ein wesentliches Ereignis im Lebenslauf eines Bläschens war und nicht nur eine zufällig unterlaufene Abweichung – was man vom zweiten Stadium noch nicht sagen konnte.
Nein, sie zweifelten nicht, daß sie irgendwann dieses zweite Stadium wieder erreichen und dann seine Herstellung methodisch stabilisieren würden. Aber jeder hatte auch das Gefühl, daß an diesem bisher einmaligen Ereignis irgend etwas irritierend Zufälliges, Ausnahmehaftes war, das hatte die vorangegangene Diskussion ergeben. Und mit diesem Gedanken ging Ruben in den vierten Durchlauf unter der EGI.
Er spürte genau, daß in ihm ein Einfall heranwuchs, der war noch nicht da, aber schon nahe. Und offenbar spürten das auch die anderen, denn niemand unternahm etwas. Das Bläschen existierte jetzt schon eine halbe Minute, ohne daß einer der anderen eingegriffen hätte. In Rubens Gehirn schwirrten die verschiedensten Assoziationen herum – Worte, Begriffe, Erinnerungen, Analogien dazu, die wiederum andere nach sich zogen, doch ein paar kamen immer wieder: die Regel und die Ausnahme, das Bläschen und das positive Teilchen, das Bläschen und das Wasserstofftarget, die Ausnahme als Geburtshelfer der Regel. Und wenn ein Teilchen unserer Struktur die Ausnahme darstellte, was wäre dann vermutlich die Regel? Ein Teilchen mit Bläschenstruktur? Also, da man nur eins dieser Art kannte und erzeugen konnte, ein anderes, zweites Bläschen?
Schon arbeiteten Rubens Hände, und schon sahen die anderen, worauf es hinauslief, in einer Diskussion hätte es sicher ebenso viele Argumente dafür wie dagegen gegeben, dafür zum Beispiel, daß das neu erzeugte Bläschen gerade die richtige Größe hatte, um dem inzwischen angewachsenen alten als Kern zu dienen; dagegen zum Beispiel, daß beide gleiche Ladung hatten; darauf als Antwort wiederum, daß man ja wisse, das Bläschen könne sich neutralisieren, dann werde es vielleicht auch die Ladung umkehren. All das und viel mehr hätte sich dafür und dagegen sagen lassen können, aber in der EGI wurde nicht diskutiert, hier wurde gehandelt, ein Gedanke eben durchgeführt, daß man seine praktische Konsequenz zu erkennen vermochte.
Es war jetzt zehn Sekunden vor dem Zeitpunkt, zu dem im ersten Bläschen die Schrumpfung einsetzte. Ruben hatte als erstes den Bläschengenerator angeworfen. Was jetzt kam, war eine immense Arbeit: die Magnetflasche, die bisher nur für das Festhalten des Bläschens programmiert war, während des Prozesses, innerhalb weniger Sekunden, so umzuprogrammieren, daß sie die Begegnung der beiden, des alten und des noch auszustoßenden jungen, genau zum richtigen Zeitpunkt ermöglichte.
Sie teilten sich die Arbeit ohne Absprache, sie bewältigten sie innerhalb von drei Sekunden und wußten noch nicht, daß diese Leistung später in den Lehrbüchern als Musterbeispiel für die EGI stehen würde: Die gleiche Aufgabe, von den gleichen Leuten unter normalen Arbeitsbedingungen gelöst, würde zweiundzwanzig Minuten in Anspruch nehmen.
Noch zwei Sekunden: Das Bläschen war erzeugt. Noch eine Sekunde: Es wurde in die Flasche ausgestoßen. Und jetzt – nichts. Ende des Versuchs. Schluß der EGI.
Ruben blickte zu Esther hinüber, die die Außenseiterposition eingenommen hatte. Die wiederum sah sich auf dem Bildschirm die Zeitlupe an, so wie er das seinerzeit getan hatte. Er schaltete nicht ihr Bild herüber, er war jetzt müde, hatte keine Lust.
Da blickte Esther ihn an und lächelte, daß die Zähne blitzten. „Eine blendende Idee!“ rief sie. „Das braucht nur noch etwas apparative Vorbereitung. Wir benötigen einen zweiten Satz Laser. Das zweite Bläschen ist verhungert, ehe es gefressen werden konnte.“
Nach einer Pause, die sie pflichtgemäß einhielten, aber von vornherein so kurz wie möglich angesetzt hatten, gingen alle an die Arbeit. Ruben steuerte den Zollstock zur Anlage Blastron, zwei bereiteten die Laser zum Anbau vor, und die anderen drei erarbeiteten die neuen Steuerprogramme, die um vieles komplizierter waren.
Acht Stunden später war alles montiert,
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