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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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erledigte er sogar kleinere Berechnungen, für die er sonst Taschenrechner benutzte, im Kopf.
    Gegen Abend geschah etwas, was er zunächst nicht verstand. Plötzlich leuchtete die Decke bläulich, und es knisterte leise. Ruben überlegte eine Weile und kam schließlich dahinter, daß es sich um elektrische Entladungen handeln müsse, wie es sie auf der Erde auch gab, vermutlich erzeugte die Reibung der Sandkörner im Sturm elektrische Ladung.
    Er hatte sich gerade diese Erklärung zurechtgelegt, als ein Knacken durch den Raum ging, ein trockener, scharfer Ton, wie wenn etwas gerissen wäre. Aber nichts veränderte sich, kein Pfeifen entweichender Luft war zu hören noch sonst irgend etwas, und trotzdem beruhigte das Ruben nicht, er schaltete die Helmlampe an, um wenigstens etwas zu sehen. Der Schein blendete ihn nach drei Tagen Abwechslung zwischen Dunkelheit und Dämmerlicht, er mußte ihn sehr weit herunterregeln und leuchtete dann die Wände ab – nichts. Wenn er auch fremd war hier, soviel war ihm doch klar: Bei einem Schaden in der Außenwand mußte mindestens Reif- oder Eisbildung längs des Risses zu sehen sein.
    Vielleicht war es albern, das Knacken ernst zu nehmen. Vielleicht trat es immer in dieser Situation auf, und nur er wußte das nicht. Dennoch – er war als einziger wach, und wenn wirklich etwas geschah, konnte nur er die Mannschaft retten. Oder waren für solchen Fall auch irgendwelche ihm unbekannte Regelungen vorgesehen? Kaum denkbar. Er wußte nichts oder nicht viel von den Meditationen, mit denen sich die Leute hier in eine Art Anabiose versetzten, aber die Vorstellung, daß man aus diesem Zustand herausspringen könnte wie ein Feuerwehrmann bei Alarm, erschien ihm doch als ausgesprochen unrealistisch.
    So oder so, er war ruhiger geworden, aber er nahm sich vor, in Stundenabständen die Station zu kontrollieren. Die Lampe hatte er längst wieder gelöscht, zum Nachdenken brauchte er kein Licht, das mußte er aufsparen. Woran konnte er den Zustand kontrollieren? Eigentlich nur an der Temperatur. Solange die bei fünf Grad blieb, war alles in Ordnung.
    Wirklich? War dann wirklich alles in Ordnung? Das konnte eine Illusion sein – wenn etwa irgendwo Wärme entwiche, dann würden die Batterien den Verlust ausgleichen auf den eingeregelten Festwert bei fünf Grad, freilich auf Kosten des Energievorrats. Sie würden sich also wahrscheinlich eher erschöpfen und dann ganz plötzlich aufhören zu heizen. Was konnte er dann tun?
    Er spürte, daß er zu müde war, um alles gründlich zu durchdenken, und beschloß, eine Stunde zu schlafen. Die innere Uhr würde ja wohl trotz allem funktionieren, sie hatte ihn noch nie im Stich gelassen, außer wenn er sehr erschöpft war, und das war er jetzt nicht. Er wurde auch pünktlich wach, wie ihm ein Blick auf die Leuchtzeiger der Uhr bewies, schaltete die Helmlampe ein und sah auf das Außenthermometer auf seinem Ärmel – exakt fünf Grad.
    Ruben fühlte sich erfrischt wie nach langem Schlaf. Also: Was konnte er tun im Fall der Fälle? Oh, es gab durchaus Möglichkeiten, sicherlich sogar mehrere, schließlich stand sein Raumschiff vor der Tür, und das verfügte über weit mehr Energiereserven, als hier gebraucht wurden. Die Frage war also nicht: woher nehmen, sondern: wohin damit? Er durfte die Station nicht beschädigen, ihre schlafende Besatzung nicht stören, er durfte die Sonnenkollektoren nicht gefährden, die da draußen rund um die Station irgendwo standen, jetzt wahrscheinlich unter Sand begraben. Und er durfte nur einmal die Station verlassen, jede Tür nur einmal öffnen, weil ja schon von Raum zu Raum ein großes Temperaturgefälle sein würde und mehrmaliges Hin- und Herlaufen alles auskühlen würde, ehe er dazu käme, etwas zu unternehmen. Dann würden die Algenkulturen absterben, und dann wäre die Station lebensunfähig und müßte aufgegeben werden na ja, man konnte diesen Gedanken sicherlich noch lange weiterspinnen, bis zur Katastrophe, aber das ging schon ins Ulkige.
    Teile ausbauen und herüberholen, Leitungen legen und ähnliches verbot sich also. Er brauchte eine einfache, ja vielleicht sogar primitive Lösung. Ja, das war’s, ganz einfach. Das würde er tun, wenn…
    Wieder ging ein scharfes Knacken durch die Station. Wieder prüfte Ruben, so gut er konnte, und fand nichts. Nur eine neue mögliche Erklärung fiel ihm ein: Wenn der Boden stark auskühlte während des Sturms, weil er tagelang keine Sonnenstrahlung empfing, konnte er das

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