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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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beeilen. Wiebke schrie in einer Position um ihr Leben, in der sie alleine war. Ganz allein! Niemand konnte sie dort erreichen. Sie mussten auf die Feuerwehr warten, die hoffentlich einen Weg finden würde, zu Wiebke vorzudringen. Und auch zu Mamma Carlotta und Corinna Matteuer, die sich zum Glück auf dem stabilen Teil des Baugerüstes befanden.
    »Das kann nicht mehr lange gutgehen«, stöhnte Erik. »Das ganze Gerüst bricht vielleicht bald zusammen.«
    »Wir müssen in den Neubau rein«, keuchte Sören. »Corinna Matteuer und Ihre Schwiegermutter können wir über eine Leiter hereinholen.«
    Aber Erik hielt ihn zurück. »Das Gerüst muss erst wieder stabilisiert, mit dem Mauerwerk verbunden werden. Der Einstieg ist zu weit weg. Es fehlt das Brett, auf dem Wiebke gestanden hat.«
    »Wie soll die Feuerwehr hier ihre Leiter ausfahren?«, fragte Sören verzweifelt und griff zu seinem Handy. »Wir müssen Bescheid geben, dass sie über den Strand kommen sollen! Das ist die einzige Chance. Von vorne schaffen sie es nicht.«
    Erik war unfähig zu antworten. Seine Lippen bebten, er hätte Sören gern auf das aufmerksam gemacht, was er sah, aber er brachte kein Wort heraus. Mit zitternden Fingern zeigte er nur auf das, was in Wiebkes Nähe geschah. Niccolò! Ihn hatte er total vergessen.

M amma Carlotta erstarrte. Sie schloss die Augen für ein paar Sekunden ganz fest, öffnete sie dann wieder … und sah noch immer das Gleiche. Es war kein Trugbild gewesen, das ihr die Verzweiflung vorgegaukelt hatte. »Niccolò!«
    Ihr Neffe, dessen Ankunft sie mit viel Bauchgrimmen entgegengesehen hatte, schwang sich soeben aus einer der Fensteröffnungen und landete auf einer Gerüststange wie ein Äffchen, das sich ohne Angst von einem Baumwipfel zum anderen bewegt. Niccolò, der verhinderte Artist der Familie! Niccolò, der nun allen bewies, dass er etwas konnte, was in diesem Augenblick jedes Mitglied der Familie Capella nützlich nennen würde! Diesmal hätte keiner über ihn gelacht. Niccolò Capella kam zu seiner ersten Zirkusvorstellung!
    Er rief Wiebke zu: »Ganz ruhig bleiben, Signora! Ich rette Sie!«
    Die Wirkung auf Wiebke war außerordentlich. Schlagartig hörte sie auf zu schreien, sie begrifff augenblicklich, dass ihr jemand zur Hilfe kam, auf dessen Worte sie vertrauen konnte. Er würde sie holen. Ungläubig staunend sah sie Niccolò entgegen. »Nicht bewegen! Wenn Sie ganz ruhig bleiben, werden wir es schaffen!«
    Er balancierte auf einem Rohr auf sie zu, während er sich an einer Querverstrebung über seinem Kopf festhielt. Dann aber war nichts mehr über ihm, an dem er sich hätte festhalten können. Über seinem Kopf ein tosender Sturm, unter ihm mehrere Meter freier Fall.
    Niccolò breitete die Arme aus, schloss die Augen, konzentrierte sich auf die Kraft des Windes, stemmte sich nicht gegen ihn, sondern bewegte sich mit ihm. Es war, als benutzte er ihn. Und als er sich seinem Rhythmus angepasst hatte, öffnete er die Augen, blickte Wiebke an … und lief los. Ein Seiltänzer auf einem Rohr, das unter ihm schwankte wie ein nachlässig gespannter Draht.
    Etwa drei haarsträubend gefährliche Meter hatte er vor sich. Niccolò verbündete sich mit dem Wind, nahm dessen Stöße und Angriffe auf und machte die Kraft des Windes zu seiner eigenen. Auch als sein Ziel schon greifbar nah war, blieb er ruhig und konzentriert, warf sich nicht seinem Ziel entgegen, froh, es erreicht zu haben, sondern griff behutsam nach ihm. Ein wahrer Künstler! Ein großer Artist!
    Er ließ zu, dass Wiebke die Finger in sein Hosenbein krallte, und sprach leise, aber eindringlich mit ihr, damit sie nichts tat, was sie beide in Gefahr brachte. Und Wiebke überließ sich vertrauensvoll seiner Führung. Kurz darauf saß Niccolò neben ihr, und sie bewegte sich mit seiner Hilfe vorsichtig auf ein unversehrtes Gerüstteil zu. Hundertmal eine winzige Bewegung der Hüfte, hundertmal ein paar Millimeter, dann war sie in Sicherheit, saß auf einem Brett, das stabilen Halt bot. Zwischen ihnen und der Stelle, wo Mamma Carlotta und Corinna Matteuer standen, klaffte eine breite Lücke. Das Gerüst schwankte immer stärker, der Sturm gewann immer mehr Macht.
    In diesem Augenblick entdeckte Mamma Carlotta ihren Schwiegersohn. »Hilf uns, Enrico!«, schrie sie, so laut sie konnte.
    Er machte eine beschwichtigende Geste. »Verhaltet euch ruhig!«, rief er herauf. »Die Feuerwehr ist gerade angekommen. Wir holen euch da runter!«
    Tatsächlich erschienen nun

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