Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
als ich ihm unter die Nase gerieben habe, dass ich nun etwas gegen ihn in der Hand hätte! Ich könnte ihn wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen. Schließlich hatte auch er Klaus hilflos am Strand zurückgelassen. Der hat getobt und rumgeschrien. Er würde mich lächerlich machen, alle Welt sollte erfahren, dass mein Mann mich mit meiner Schwester betrüge. Auch wenn es ihm nichts mehr brächte, er würde es allen erzählen, wenn ich die Stirn hätte, ihn anzuzeigen.«
In Erik begannen sich die Einzelheiten zusammenzufügen. »Und das hat Tove Griess mitbekommen und dich ebenfalls erpresst.« Erik wusste mittlerweile, dass es eigentlich Fietje Tiensch gewesen war, der es Tove erzählt hatte, aber darauf kam es jetzt nicht mehr an.
»Er wollte das Bistro auch. Zum Schein bin ich darauf eingegangen.«
»Und Dennis Happe? Und Sila Simoni?«
»Sila hat leider was spitz gekriegt. Irgendeinen Fehler muss ich gemacht haben, als sie mich besuchte. Ich habe genau gemerkt, dass sie misstrauisch wurde. Ich hatte Angst, dass sie am nächsten Morgen zur Polizei gehen und mich verraten würde. Das musste ich verhindern. Und dabei kam mir die Idee, wie ich Tove Griess gleich mit erledigen konnte.«
»Sie haben sich seine Schuhe geholt und einen Zahnstocher, den er im Mund gehabt hatte«, ergänzte Sören.
»Und Dennis Happe?«, fragte Erik.
»Der hat auch was gemerkt. Wir waren den größten Teil des Tages gemeinsam in einem Büro, haben mindestens acht Stunden täglich zusammengearbeitet, da habe ich wohl manchmal vergessen, was meine Rolle vorsah, und mich so verhalten, wie ich wirklich war. Er wollte sich anscheinend Gewissheit verschaffen und in meinem Schreibtisch nach einem Beweis suchen. Ich hatte Angst, dass er die Anstecknadeln fand, die ich dort versteckt hatte.«
»Du hast verhindert, dass Dennis sie fand«, meinte Erik. »Aber du konntest nicht verhindern, dass Wiebke Reimers sie an sich nahm.«
»Ich hatte nach Dennis’ Tod nicht genug Zeit zum Suchen«, gab Matilda zurück. »Als ich die Nadeln später nicht entdeckte, dachte ich, er hätte sie längst gefunden und bewahrte sie zu Hause auf. Vielleicht, um mich später zu erpressen. Oder mich bei der Polizei anzuzeigen, wenn er ganz sicher war.«
»Und wie bist du auf Wiebke gekommen?«
»Ich habe ihren Wagen gesehen, nachdem ich Dennis’ Wohnung durchsucht hatte. Mir wurde klar, dass sie auf mich aufmerksam geworden war. Sie wusste etwas!«
»Später hast du ihr dann die Tasche gestohlen, die Anstecknadeln gefunden und Wiebke auf den Bau gelockt. Der Sturm kam dir wahrscheinlich gerade recht.«
Matildas Augen waren halb geschlossen, als zöge sie sich in ihr Inneres zurück. »Ich hätte dafür gesorgt, dass das Wasser sie holt«, sagte sie leise. »Irgendwann wäre sie an Land gespült worden. Ein Opfer ihres Leichtsinns. Es trauen sich ja immer einige Touristen zu weit vor, weil sie nicht an die Kraft der Brandung glauben.«
Erik stand auf, er hatte genug gehört. Er brauchte dringend eine Pause, um all das zu verarbeiten, was er erfahren hatte. Er gab Sören einen Wink, damit er Enno Mierendorf holte, der Matilda in ihre Zelle führen sollte.
Sie erhob sich, bevor Mierendorf erschienen war, und sah Erik nun intensiv an. »Wie bist du darauf gekommen, dass ich nicht Corinna bin?«
»Der Obduktionsbericht! Hätte ich ihn schon eher gelesen, wäre ich längst auf die Wahrheit gestoßen. Schließlich war es Corinna gewesen, die Silikonimplantate trug. Sie hatte zusammen mit Sila Simoni eine Brustvergrößerung vornehmen lassen. Nicht du!«
Matilda lachte. Dann schüttelte sie den Kopf und blickte zu Boden. »Ja, mein schöner Busen! Das Einzige, in dem ich Corinna überlegen war …«
Erik antwortete nicht und ging zur Tür.
»Du läufst jetzt zu Wiebke Reimers?«, fragte Matilda. »Liebst du sie? Hat sie es geschafft, dein Herz zu erobern?«
Erik dachte kurz nach, dann drehte er sich um. »Ja, sie hat es geschafft. Du hast recht, ich liebe sie. Und ich werde jetzt zu ihr gehen.«
Matilda machte den Eindruck, als wollte sie sich auf Erik stürzen. Sören bewegte sich bereits mit einem Schritt auf sie zu … da wurde aus ihrer Aggression auf der Stelle Apathie. »Ich hätte es mir denken können«, murmelte sie. »Mich liebt keiner. Nur Corinna hat mich geliebt. Sie war völlig arglos, als ich zu ihr auf den Balkon kam …«
Erik sah zu, wie Enno Mierendorf sie abführte, blieb noch eine Weile stehen und starrte auf die geschlossene Tür.
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