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Kurt Ostbahn - Blutrausch

Kurt Ostbahn - Blutrausch

Titel: Kurt Ostbahn - Blutrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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Nachschlagwerke, die sich während einer langen arbeitsreichen Nacht angesammelt haben, auf seinen Schreibtisch, und ich nehme vor dem Großbildfernseher Platz.
    „Wir haben es mit Amateuraufnahmen zu tun“, sagt er, als er eine der sechs Cassetten aus Wickerls Nachlaß in den Recorder schiebt. „Zwei Video-8-Kameras, schlechte Lichtverhältnisse, schlechter Ton, und das Ganze nicht eben von Meisterhand zusammengeschnitten. Nur damit du weißt, was dich in den nächsten sechs Stunden erwartet.“
    „Ohne mich. Erstens hab ich einen wichtigen ...“
    „Wir werden die extremen Längen im Schnellauf absolvieren“, beschwichtigt mich der Doc. „Aber unter drei Stunden ist das nicht zu machen. Die Veranstaltung hat einen dramaturgischen Bogen, den wir uns nicht entgehen lassen sollten. Und die letzten dreißig Minuten sind für-wahr fulminant.“
    Ich gebe mich geschlagen, man ist schließlich kein Spielverderber, erbitte mir aber mindestens eine Pause und die Erlaubnis, ein wichtiges Telefonat führen zu dürfen.
    (Ich werde im Palace anrufen, und Marlene eine Nachricht hinterlassen, wo sie mich erreichen kann.)
    „Bewilligt“, sagt der Trainer. Er kommt mit dem Kaffee und den Toasts aus der Küche. „Und ich hol uns später dann ein Bier vom Billa . Du wirst es brauchen, Kurtl.“
    Bezahlen darf ich es im voraus. Die paar Flaschen Bier übersteigen seine momentanen finanziellen Möglichkeiten, also hält er demonstrativ die Hand auf. Ich spende einen Hunderter.
    „Die nächste Runde geht an mich“, sagt der Trainer.
    Nimm ihn beim Wort und du kannst sicher sein, daß es keine nächste Runde geben wird. Nicht in diesem Leben.
    „Nur noch soviel“, sagt der Doc. „Schauplatz der Veranstaltung ist eine Kapelle in der Nähe von Santa Monica in Kalifornien. Stattgefunden hat sie am 23. November letzten Jahres. Und Veranstalter war die AAS , die Astaroth Appreciation Society.“
    „Also eine Benefiz-Gschicht“, sage ich.
    Trash und Trainer lachen hysterisch.
    Nach einer durchwachten Nacht findet man bald was lustig. Ich kenn das.
    Und dann sehe ich auf Doktor Trash’s Großbildschirm den kalifornischen Abendhimmel. Er spielt noch mehr Farben als in den einschlägigen Road-Movies. Das liegt aber, meinen Trainer und Trash, die sich in der Rolle des deutschsprachigen Kommentatorenpaares hörbar wohlfühlen, am amerikanischen Videoformat.
    „NTSC“, sagt der Trainer.
    „Never The Same Colour“, übersetzt der Doc.
    Die von zittriger Hand geführte Heimkamera schwenkt langsam vom farbenfrohen Himmelszelt auf ein Gotteshaus, das ich stilmäßig der amerikanischen Spanplattengotik zurechnen würde. Das spitzgiebelige Holzding steht einsam inmitten einer sandigen Hügellandschaft und macht einen von Wind und Wetter arg gebeutelten Eindruck.
    Die Kamera bewegt sich schwankend auf das Portal zu, und aus dem Inneren des Kirchenschiffes dringt Musik, die sich anhört wie Tröten-Folklore aus dem australischen Busch. Oder Black Sabbath auf einem leiernden Cassettenrecorder.
    Es ist wie seinerzeit beim“Fenstergucker“, als der Doc mit sonorer Stimme zu erklären beginnt, warum ich beeindruckt zu sein habe.
    „Jedes Jahr zu Thanksgiving, also am letzten Donnerstag im November, findet hier in dieser ehemaligen Methodisten-Kirche die Jahresvollversammlung der Astaroth Appreciation Society statt. Die AAS wurde Mitte der 70er-Jahre in Venice, Kalifornien, von dem Lehrerehepaar Helen und Don Spears gegründet, nachdem es auf dem Heimweg von einer Thanksgiving-Party bei Freunden von einer Vision heimgesucht wurde, in der Astaroth ...“
    „Wer zum Henker ist dieser Astaroth?“ frage ich, während sich die Kamera weiter auf den Eingang des desolaten Wüstendoms zu bewegt.
    „Astaroth ist ein Fürst der Finsternis“, sagt der Doc.
    „Sowas wie Alice Cooper?“
    „Etwas älter. Und etwas mächtiger, wenn man das so sagen kann“, sagt der Doc.
    „Mehr in Richtung Screamin Jay Hawkins?“ frage ich.
    „Wer? Was redet er da?“ wendet sich der Doc an den Trainer. Musikgeschichte ist nicht seine Stärke. Also klärt ihn der Trainer auf. „I Put A Spell On You“, „Baptize Me In Wine“. Sein ständiger Begleiter Henry, der Totenkopf...
    Ich höre nicht mehr wirklich hin, denn auf dem Bildschirm ist plötzlich die Hölle los. Ein gewagter Schnitt, und wir sind im Inneren der Kirche. Eine zweite Kamera, die über dem Eingang, wahrscheinlich am früheren Arbeitsplatz des Organisten in Position ist, zeigt mir in einer

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