Kurt Ostbahn - Blutrausch
eindrucksvollen Totalen, was Trainer und Trash letzte Nacht um den Schlaf gebracht hat.
In der Mitte des Saales sitzen grob geschätzt dreihundert Leute an einer monströsen U-förmigen Tafel, die sich unter der Last eines üppigen Festmahles biegt. Truthahn, Spanferkel, Hamburger, Grillkoteletts und zum Rünterspülen ein paar Hektoliter Wein in Tonkrügen, der von der gut gelaunten Runde allerdings aus stillosen Plastikbechern getrunken wird.
Der Altar an der Stirnseite des Kirchenschiffes hat schwer unter einem Dekorateur gelitten, der seinem Auftrag, aus dem Haus des Herrn einen Partyraum des Satans zu machen, offensichtlich nicht gewachsen war. Die paar gußeisernen Fackelhalter, der fliegende Styropordrache und der ausgestopfte Elefantenschädel sehen in dem in einem faden lindgrün gestrichenen Raum ziemlich verloren aus. Und das rote Firmenschild der“ AAS “, das über dem Tabernakel von der Decke hängt, wird in seiner Diabolik nur noch vom“Coca Cola“-Logo übertroffen.
Da geben sich die Damen und Herren an der Festtags-Tafel eindeutig mehr Mühe. Ihre Abendgarderobe steht, vermute ich, unter dem Motto“Im Namen der Rose meets Rocky Horror Picture Show“. Sehr amerikanisch. Aber die opulenten Damen und Herren in Strapsen und Kutte, die Barbie-Puppen in Nieten und Leder und die kalifornischen Sunnyboys, die auch unter der Gummimaske ihr strahlendes Lächeln nicht ablegen, bringen ohne Zweifel einen Hauch von Sünde und Frevel in das Gotteshaus.
Kamera 1 hat sich mittlerweile unter die Gäste gemischt und liefert eindrucksvolle Detailaufnahmen von aus Korsagen quell ender Orangenhaut, tätowierten Arschbacken, Männerbeinen in Netzstrümpfen und Hunden in Menschengestalt, die an der Leine und zu Füßen ihrer Herrschaft auf dem Boden kauern, artig aus dem Napf fressen oder ihrem Besitzer die Stiefel lecken.
„Astaroth, einer der mächtigsten Dämonen im Reich der Finsternis, erschien zu Thanksgiving also dem Ehepaar Spears und ernannte Helen und Don sozusagen zu seinen irdischen Botschaftern, die seine Lehre des Bösen in aller Welt verbreiten sollten“, setzt der Doc seinen Kommentar fort.
„In den ersten Jahren war die AAS bloß einer von vielen kleinen Zirkeln, der mit seinem Brimborium aus schwarzer Magie, Sado-Maso und der Produktion von höllisch schlechtem Kunsthandwerk bestenfalls eine Handvoll gelangweilter Ehepaare und ein paar richtungslose Teenager anlocken konnte. Herr Astaroth hatte keine rechte Freude mit der PR-Arbeit der Spears. Und so holte er 1983 die blasse Helen zu sich. Sie ertrank während eines Badeurlaubs auf Hawaii. Mit der AAS ging es aber von dem Tage an steil bergauf. Don Spears, dem in der Nacht nach Helens Tod angeblich ein Kollege von Astaroth erschien, der elefantenköpfige Behemoth, war nun nicht mehr zu halten.
Mit einer neuen Frau an seiner Seite, die zumindest einen Marketingkurs an der Volkshochschule absolviert haben mußte, krempelte er den Laden komplett um. Die AAS verkaufte nun nicht mehr mit Sex aufgemotzte schwarze Magie, sondern mit schwarzer Magie verbrämten Sex.
„Das ist er übrigens. Das ist Don Spears.“
Die Höllenkunde ist ja nicht mein Fach - ich hab als junger Mensch“Rosemaries Baby“ gesehen, obwohl ich eigentlich nur John Cassavetes sehen wollte: das hat meinen Bedarf an Ausgeburten der Hölle auf alle Zeit gedeckt -und so spricht aus mir die Enttäuschung des Laien und Normalverbrauchers. Ich meine: ich hätte mir von einem Fürsten Astaroth halt schon erwartet, daß er als seinen Botschafter eine charismatische Erscheinung vom Schlage eines Iggy Pop (oder noch besser: Keith Richards) verpflichtet.
Stattdessen macht sich unter tosendem Applaus und „ Don! Don! Don!“-Sprechchören auf dem Podium vor dem Altar ein sagenhaft fetter Mittfünfziger am Mikrofon zu schaffen. Der ehemalige Lehrer trägt eine Brille mit Goldrand, Sandalen und einen raffiniert geschnittenen Lendenschurz, der seinen Bierbauch so richtig gut zur Geltung bringt und darüber hinaus suggeriert, darunter sei das Gehänge eines Zuchtbullen verborgen.
Don winkt jovial in die Menge, winkt seinen Auftraggebern zu, die heute anscheinend nur symbolisch, in Form des Styropordrachens und des Elefantenkopfes zugegen sind, und hält dann eine Rede, die im Auditorium immer wieder für schallendes Gelächter sorgt, von der ich aber kein Wort verstehe.
„Elefantös“, freut sich der Trainer.
„Und wann kommt seine neue Alte?“ frage ich. „Die interessiert
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