Kurt Ostbahn - Blutrausch
aussieht, werden wir wohl nie erfahren. Die sechste und letzte Cassette ist zu Ende.
„Schade“, sagt der Trainer. Und der Doc gähnt.
„Tja“, sage ich. „Und was lernen wir daraus? Ich hab nicht den Eindruck, daß das Werk, so beeindruckend es auch sein mag, für den Verleih oder Verkauf bestimmt ist.“
Der Doc hat das ganz ähnlich gesehen, erfahre ich, und in den frühen Morgenstunden per Fax seine zumindest dubiosen Informanten in der Neuen Welt um Rat gefragt.
Er drückt mir zwei Seiten eines Faxes in die Hand, das ihn um zirka 7 Uhr MEZ aus Baton Rouge, Louisiana, erreicht hat. Es zeigt das Titelblatt der vorjährigen Weihnachtsnummer der „ AAS -News“. Und das verspricht auf 72 Seiten höllische Dinge wie das Astaroth-Horoskop fürs neue Jahr, die Termine der AAS -Clubbings“all over the worid“, einen atemberaubenden Bildbericht von der“Astaroth Celebration Night“ in Santa Monica und jede Menge „ bizarre pleasures“ mit dem AAS -Mädchen des Jahres.
Die enormen Brüste der blonden Werbeträgerin sind mit Silberschmuck aus der AAS -Kollektion dekoriert wie ein Christbaum.
Wirklich bizarr an der zweiten Seite des Fax finde ich nicht so sehr die Vergnügungen, denen sich die Blonde und ihr Feschak auf drei unterbelichteten Fotos hingeben, sondern den Inhalt einer der Bildunterzeilen:
“Let’s have a rubber ball!” Donna, a rock’n’roll singer from Vienna, Austria, dresses up for pleasure and pain.
14
„In den Fünfzehnten. Reindorfgasse“, sage ich zu dem Taxler, der uns noch vorm Einsteigen vor die Alternative gestellt hat: „Bei mir wird ned graucht. Oder Sie warten auf an Kollegen.“
Wir können nicht warten, also wird nicht geraucht. Der Trainer muß zu seinem froschgrünen Boliden und damit schleunigst heim zu Katharina, den Kindern und den Katzen. Und ich muß unter die Dusche und in eine Schale, in der ich zwar meinen Grundsätzen treu bleiben, aber in einem Nobelrestaurant hoch über den Dächern der Stadt trotzdem Einlaß finden kann.
Ich sitze im Taxi und stehe das erste Mal seit einer Ewigkeit vor dem Problem, nicht zu wissen, was ich anziehen soll.
Schuld an meinem Dilemma ist Marlene. Sie hat mir über die Rezeption des Palace ausrichten lassen, daß sie einen Tisch oben im H aas -Haus reserviert hat und mich ab 20 Uhr an der Bar erwartet.
Ich will den Trainer fragen, ob er mir sein Salz & Pfeffer-Sakko leiht, aber da ist er schon eingeschlafen.
Also denke ich an Marlene, meinen Kleiderschrank, den Kleiderschrank von AAS -Bräuten wie Elfriede „ Donna“ Tomschik und an die Lederjacke des Wickerl Auer.
Der Trainer und ich hatten sie in unserer Aufregung gestern Nacht völlig vergessen. Und Doktor Trash, der - ich weiß nicht, ob ich das schon erwähnt habe - ein ähnliches Schicksal zu tragen hat wie unser Trainer, nämlich Besitzer eines anständigen bürgerlichen Namens zu sein, an den sich nur leider niemand erinnern kann, hat mich beim Gehen wieder auf den Janker gebracht.
„Den Inhalt der Taschen und des Futters kontrollieren“, hatte er mir mit auf den Weg gegeben, „diesen und die heute neu gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich eines möglichen Zusammenhanges überpüfen. Und mich anrufen, anstatt voreilige Schlußfolgerungen zu ziehen. Aber nicht vor zehn. Ich muß jetzt arbeiten.“
Der Doc verdient sich sein täglich Brot zur Zeit als Konsulent einer japanischen TV-Produktionsfirma, die in einer 18-teiligen Serie die ganze Wahrheit über die Tragödie von Mayerling ans Licht bringen will.
Als wir vom Gürtel in die Sechshauser Straße einbiegen, disponiere ich kurzfristig um.
„Wir steigen früher aus“, sage ich zum Taxler. „Nach der Kreuzung, links bei dem Espresso.“
„Haben Sie damit leicht was zu tun?“, fragt er.
„Womit?“
„Na, mit dem Espresso“, sagt der Taxler. „Hören Sie ka Radio?“
Vor dem Rallye wird der Verkehr heute einspurig geführt. Die linke Hälfte der Fahrbahn ist mit drei Funkstreifen, den Dienstwagen der Kriminalpolizei und Fahrzeugen der Spurensicherung zugeparkt.
„Trainer“, sage ich leise.
Der Trainer brummt im Schlaf.
„Also was jetzt?“ fragt der Taxler.
„Ich steig aus“, sage ich. „Und der Kollege fährt weiter.“
Dann drücke ich dem Trainer den zweiten Hunderter des Tages in die Hand.
„Super“, sagt er, blinzelt kurz und zufrieden den Eugen Böhm v. Bawerk an und läßt ihn dann in der Hosentasche verschwinden.
„Das nächste Mal zahl ich.“
Als ich die Wagentür
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