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Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Titel: Kurt Ostbahn - Kopfschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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Datenzentrale. Der Doc jausnet eine Zimtschnecke und ich kiefle an der Leberkässemmel herum, die mir keine Freude mehr macht, seit ich mir einen spitzen, scharfkantigen Krümel ins Zahnfleisch gerammt habe. Die Getränkeauswahl ist, wie immer beim Doc, eher beschränkt. Es gibt stilles Wasser, Sprudelwasser, einen Saft aus vielen Früchten mit noch mehr Vitaminen und einen Kaffee, der meinen Koffeinbedarf für Monate decken würde, wäre ich verrückt genug, die Tasse auszutrinken.
    Ich weiß, dass der Doc irgendwo in seinem düsteren Reich mindestens eine Flasche Tequila versteckt hat. Aber ich sag lieber nichts. Der Tag ist noch jung, wir sind im Dienst und da haben hochprozentige Freuden nichts verloren.
    Obwohl, einen kleinen Schuss Aufmunterung könnten wir ganz gut gebrauchen. Denn der Tod des Roman Schindler in Dreikreuz macht nach Durchsicht von gut zwei Dritteln des Burgenland-heute-Materials irgendwie keinen Sinn. Und es gibt nichts, absolut nichts, das auf den Verbleib des Trainers hinweist, sieht man einmal davon ab, dass das burgenländische Dorf an der Grenze irgendwo in der Spanisch sprechenden Welt eine Partnergemeinde haben dürfte: Tres Cruces.
    Aber auch diese Spur ist nicht wirklich heiß, meint der Doc.
    Er hält, wie wir alle wissen, Melanie Echsner für verrückt. Und ihre Geschichte von einem panischen Trainer, der nach einem mysteriösen Telefonanruf in seiner grünen Rostlaube auf Nimmerwiedersehen verschwindet - nach Dreikreuz oder Tres Cruces, zu Roman oder Ramon, wegen oder mit einer Frau namens Linda -, hält er für zumindest höchst fragwürdig.
    Ich halte, wie wir alle wissen, Melanie nicht für verrückt. Aber ansonsten muss ich dem Doc Recht geben.
    „Die wenigen Fakten, die wir vorliegen haben, lassen viel Raum für Spekulationen“, meint der Doc, als er seine Zimtschnecke verzehrt hat und wir in die Kommandozentrale zurückkehren, um uns den Rest der Fernsehaufnahmen anzusehen.
    „Na gut, dann spekulieren wir“, sage ich. „Was hältst du übrigens von der Idee, dass ich uns dafür ein paar Bier vom Billa hole? Ottakringer oder Wieselburger? Dose oder Flasche?“
    Der Doc reagiert auf meinen nur gut gemeinten Vorschlag wortlos mit einem missbilligenden Kopfschütteln. Bier abgelehnt. Auch gut. Er will dringend anbringen, was ihm offenbar schon die längste Zeit durch den Kopf geht:
    „Weshalb hat es den Roman Schindler aus Wien nach Dreikreuz verschlagen? Das ist ein 200-Seelen-Dorf im nördlichen Burgenland, nur wenige Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt, und die einzige Attraktion, die Dreikreuz zu bieten hat, ist die barocke Pfarrkirche mit ihrem außergewöhnlichen Glockenturm. An seiner Spitze trägt er, was dem Ort auch seinen Namen gab, drei Kreuze, ein Symbol der Dreifaltigkeit, die bei entsprechender Sonneneinstrahlung golden glänzend bis weit in die ungarische Tiefebene zu sehen sind. Vielleicht war es der Glockenturm, der Roman Schindler nach Dreikreuz gelockt hat. Aber nehmen wir einmal an, er war es nicht. Was sonst zieht einen 26-jährigen Studenten aus Wien hierher? In Dreikreuz sagen sich sogar im Sommer, der touristischen Hochsaison, die Füchse Gute Nacht. Jetzt haben wir Ende Oktober und da kommt kein Fremder gern und freiwillig vorbei. Außer . . .“
    „Außer es gibt ein Mädchen in Dreikreuz, das dem Roman massiv den Kopf verdreht hat“, biete ich an, als der Doc endlich eine Atempause einlegt.
    „Außer er hat geschäftlich jenseits der Grenze zu tun“, setzt er unbeirrt fort und tippt dabei, ich nehme an, Stichworte in einen seiner Computer. „Wie man weiß, sind Spekulationen über das Geschäftsleben im Grenzland keine Grenzen gesetzt. Hier laufen die ganz großen Deals. Und sie laufen heimlich, still und unbemerkt. Ost-West-Geschäfte, hat man früher gesagt. Die Grenzen sind zwar noch da, aber nicht für jene, die immer schon in großen Zusammenhängen gedacht haben und die jetzt beruhigt in noch viel größeren Zusammenhängen denken dürfen, wenn es um die Expansion des grauen und schwarzen Marktes geht, um weltumspannende Geschäfte mit Waffen, neuen Technologien, Drogen und Frauen. Ziemlich genau in dieser Reihenfolge.“
    „Verstehe“, sage ich.
    Dann geh ich runter zum Billa und hol mir eine Sechserpackung Gösser. Die ist grad in Aktion.

19. DREIKREUZ,
BURGENLAND

    Das Portal des Dorfgasthauses Zur Post. Inhaber: Fam. Reithofer. Zwei Tafeln links und rechts vom Eingang versprechen dem müden Wanderer Warme Küche und

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