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Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Titel: Kurt Ostbahn - Kopfschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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Seinen adeligen Partner zog es aber nach dem Notverkauf der Hacienda bei Tres Cruces zurück in die Alte Welt und zu den Pfründen seiner Familie.
    „Das kurze Stück von hier bis hinauf zur Straße ist alles, was von El Oriente gebaut wurde, bevor der Betrug aufflog“, sagt Hondo. „Und das Schild Dos Burros an der Hütte da drüben haben die Gleisarbeiter angebracht, bevor sie abgezogen sind. Wie du siehst, hat jeder noch so kleine Ort seine Geschichte.“ „¿El Oriente?“, frage ich, weil mir der Name irgendwas sagen sollte.
    „Ostbahn“, sagt Hondo.
    Dann steht er auf und geht in seine Hütte. „Noch ein Schälchen Suppe, amigo?“
    Der Puma nickt, der Adler schläft und die Schlange winkt kategorisch ab.
    „Qué bueno“, sage ich.

17. DREIKREUZ,
BURGENLAND

    „Also eigentlich hab nicht ich ihn gefunden, sondern die Reithofer Anni. Weil die Anni war heut viel schneller als ich. Sie is dann stehen geblieben und vom Radl gestiegen, weil sie den Mann im Wald gesehen hat. Und wie ich dann nachgekommen bin, da hat die Anni schon gespieben.“
    Fragen Sie mich nicht, anmutige Leserin, werter Leser, wie der Doc das wieder angestellt hat. Tatsache ist jedenfalls, dass er das gesamte, per Digitalkamera aufgezeichnete Schnittmaterial des Burgenland-heute-Beitrags über den Mord in Dreikreuz plötzlich in seinem Computer hat. Man kann es sehen und hören, kann es nach Belieben vor- und zurücklaufen lassen, kann Bildausschnitte vergrößern und sogar ausdrucken oder Sequenzen mit und ohne Ton in Zeit-und Superzeitlupe abspielen. Wie soll ich sagen: die FBI-Typen von Profiler sind nicht wesentlich weiter als der Doc in seinem Wiener Datenheim.
    Zurzeit hören und sehen wir zwei Schulkinder, den Georg und die Anni, die nachmittags auf ihrem Lieblingsparcours um die Wette geradelt sind und auf halber Strecke die Leiche von Roman Schindler gefunden haben.
    „Also eigentlich hab nicht ich ihn gefunden, sondern die Reithofer Anni“, sagt der 11-jährige Georg in das Reportermikrofon mit dem großen Windschutz. Der Bub lehnt auf einem Feldweg an seinem Fahrrad, kindlich-cool wie die Parodie auf einen neu gekürten Motocross-Weltmeister beim Siegerinterview. Im Hintergrund sind Beamten der Spurensicherung an der Arbeit. Dann jagt die Kamera die Rennstrecke der beiden Kinder entlang: über die menschenleere Dorfstraße von Dreikreuz, einen Schotterweg an der Kirche, am Friedhof vorbei und auf eine kleine Anhöhe, eine lange pfützenreiche Gerade durch die Stoppelfelder, nach einer scharfen Linkskurve über den ausgefahrenen Forstweg zu einem Wäldchen. Vor der polizeilichen Absperrung am Tatort wagt der Kameramann einen Rissschwenk von den kahlen Bäumen in das regnerische Grau des Oktoberhimmels. „Da war plötzlich was“, sagt die Anni in das Mikrofon mit dem großen Windschutz. Das blasse Mädchen in dem knallroten Anorak steht vor einem Polizeiauto und hält sich an der Lenkstange seines Fahrrades fest.
    „Sag, was war da genau, Anni?“, macht eine Reporterstimme auf kinderlieb.
    „Weiß nicht“, sagt die Anni und weiß nicht, ob sie nicht gleich weinen muss.
    Kurz Schwarz. Kurz graues Flimmern. Dann ist die Anni wieder da.
    „Also, ich sag zu dir: Was war da genau, Anni? Und meine Anni erzählt mir so cool wie Pippi Langstrumpf, was sie gesehen hat, okay?“
    „Da war der Mann an dem Baum“, sagt Anni, schluckt und macht eine lange verzweifelte Pause. „Wie in einem Indianerfilm. Am Marterpfahl.“
    „Und wie hat der Mann ausgesehen, Anni?“
    „Weiß nicht“, sagt die Anni und bricht in Tränen aus. Wieder Schwarz. Wieder graues Flimmern. Aber dann noch einmal die Anni.
    „Also wie hat er ausgesehen, Anni?“
    „Gar nicht wie echt“, sagt sie in die Kamera. „Alles rot. Voller Blut. Sein Gesicht, sein Janker und die Hose.“ „Und hast du den Mann schon vorher einmal gesehen, Anni?“
    „Freilich. Schon oft. Er war immer bei uns im Geschäft einkaufen und hat drüben beim Onkel Hans gewohnt.“ „Danke, Anni, das war wirklich ganz, ganz super“, sagt die singende Reporterstimme. „Und weil du so tapfer warst, darfst du dir nachher was aussuchen: einen Schlüsselanhänger, ein Schirmkapperl, so wie ich eines aufhab, oder ganz viele Burgenland-Aufkleber für dein super Radi.“
    „Aber mir is schlecht. Und mir is kalt. Ich will heim“, sagt die Anni. Dann hat der Kameramann endlich ein Erbarmen und stellt seine Mühle ab.
    Schwarz.

18. WIEN-NEUBAU

    Wir sitzen in der Küche der

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