Kurt Ostbahn - Peep- Show
der Aufklärung blutiger Gewalttaten verbirgt, aber ihm soll‘s recht sein. »Also, was machen wir? Erst einmal einen Kaffee, schlag ich vor.«
Am Frühstückstisch wird die Lage ausführlich analysiert.
»Fassen wir zusammen, was wir bisher wissen«, leitet der Doc ein. »Das Fräulein Rikki wurde auf der Tanzfläche der Live Girl Revue ermordet. Nur ein Weg fuhrt zur Drehscheibe, und zwar der aus der sogenannten Künstlergarderobe. Die drei dort anwesenden Damen haben niemanden herein- oder herauskommen sehen, und daß sie selbst für den Mord verantwortlich sind, halte ich für ausgeschlossen. Außerdem wäre deinem Herrn Polifka, trotz seines bedenklichen Zustands, garantiert aufgefallen, wenn sich mehrere Personen im Striptease-Bereich herumgetrieben hätten — sogar wenn er den Bildschirm nur aus dem Augenwinkel betrachtet hat. Das menschliche Gehirn registriert bekanntlich jede Veränderung gewohnter Muster.
Meines Erachtens läßt sich unser Mord daher einem klassischen Genre der Kriminalliteratur zuordnen — den sogenannten › Locked Room Mysteries ‹ . Kurz zusammengefaßt, handelt es sich dabei um Fälle, bei denen der Verstorbene in einer von innen verschlossenen Räumlichkeit aufgefunden wird, wobei auf den ersten Blick nicht festzustellen ist, wie der Täter nach getaner Arbeit das Zimmer wieder verlassen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Schon die erste Detektivgeschichte überhaupt, Edgar Allan Poes › Die Morde in der Rue Morgue ‹ , behandelte einen solchen Fall.«
»Was haben alte Krimis mit unserem Problem zu tun?« fragt der Trainer und verbeißt sich ein Gähnen.
»Alles — das kannst du mir glauben«, sagt der Doc kryptisch. »Außerdem befasse ich mich lieber mit den Ermittlungsmethoden eines Auguste Dupin als mit denen dieses widerlichen Skocik. Wenn ich fortfahren dürfte ... Nach Meinung der Fachwelt existieren genau 20 Lösungsmöglichkeiten, wie jemand in einem scheinbar hermetisch verschlossenen Raum einem Mord zum Opfer fallen kann. Ich gedenke jedoch nur auf die wichtigsten näher einzugehen ...«
»Danket dem Herrn!« murmelt der Trainer in seinen Milchkaffeebart, weil er sich schon wieder hoffnungslos überfordert vorkommt.
»Zuerst stellt sich die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Mord handelt und nicht um einen Unfall oder gar Selbstmord.«
»Beides kommt in Anbetracht des Zustandes der Horvath wohl nicht in Frage«, wirft Bettina hilfreich ein.
»Genau. Außerdem fand sich am Tatort nichts, das eine solche Verletzung erzeugt haben könnte - also muß die Waffe beseitigt worden sein. Keiner der Peep-Show-Kunden kann der Täter gewesen sein, weil die durch kugelsichere Scheiben vom Ort des Erotikgeschehens getrennt waren. Auch Gift und tollwütige Tiere können wir ausschließen; ebenso die Möglichkeit, daß die Rikki schon vor dem vorgeblichen Tatzeitpunkt tot war und sich jemand als sie ausgegeben hat, um die Polizei irrezuführen.«
»Verstehe«, sagt der Trainer und versteht gar nichts. »Damit wären ja alle Klarheiten beseitigt.«
»Ganz im Gegenteil. Die einzig vernünftige Theorie, die jetzt noch übrigbleibt, ist jene, die John Dickson Carr in seinem Roman › Der verschlossene Raum ‹ anfuhrt. Ich zitiere: › Es ist Mord, der durch eine mechanische Vorrichtung bewerkstelligt wird, die bereits vorher in dem Raum installiert wurde und unentdeckt in einem unschuldig aussehenden Möbelstück verborgen ist. ‹ Da haben wir des Rätsels Lösung.«
»Nur daß es in einer Peep-Show keine Möbel gibt ...« »Egal, dann wurde die teuflische Vorrichtung eben irgendwo anders versteckt. Es liegt an uns, das herauszufinden. Und weil wir keinen Zugang zum Tatort haben, werde ich in den nächsten Stunden mit Hilfe meines Ersatzrechners ins Internet Vordringen, um dort Recherchen über die Fortschritte der Polizei in Sachen Spurensicherung durchzuführen.
Du, werter Trainer, könntest dich einstweilen um den Exmann der Verblichenen kümmern. Du weißt schon, besagten Erwin. Vielleicht kann er dir was erzählen, das uns weiterbringt. Wir treffen uns um Punkt 21 Uhr hierorts zu einer weiteren Lagebesprechung.«
Der Trainer seufzt. Wie immer darf er sich um die gefährliche Realität kümmern, während der Doc munter durch virtuelle Welten surft.
Das Leben ist halt ungerecht.
***
Kaum ist es dem Doc gelungen, sich ins weltweite Datennetz vorzuarbeiten, erwartet ihn auch schon eine dringende E-Mail:
»Elektropost an: TRASH, Dr.
Zur gefälligen
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