Kurt Ostbahn - Peep- Show
Ermangelung seines geliebten Tequila mit dem Hausobstler vorliebnehmen muß, hat sich dem allgemeinen Schweigen angeschlossen. Bei der Lautstärke, mit der Roberto Blanco aus dem Wurlitzer plärrt, wäre ein vernünftiges Gespräch sowieso unmöglich.
»Grad die Rikki!« jammert der Trainer wieder lautstark. »So ein wertvoller Mensch; ein Engel praktisch!«
»Na, na«, unterbricht der Polifka für den Trauermonolog und hebt mühsam den Zeigefinger. »Jetzt übertreibens oba. Weil, ganz im Vertrauen ...« Er beugt sich verschwörerisch vor, und seine Tischgenossen tun es ihm nach. » ... A Heilige war die Rikki bestimmt ned, und scho gar ned die Jungfrau Maria. I tät so sagen: a Seel von an Menschen mit an todsicheren Griff fürn falschen Mann. Wie seinerzeit die Liz Taylor in › Cleopatra ‹ - oder war des privat? Aber egal. Sie hats auf jeden Fall ned leicht ghabt mit ihre Mannsbilder, aber sie hat sie sich trotzdem eingebildet. Da war ned mit ihr zum Redn. Nehmens her den Erwin, ihren Gschiedenen. Selbst ein Falott und Puderant erster Ordnung, aber eifersüchtig wie nur was. Der hätt sich oft genug selber ins Kriminal bracht, mit seiner krankhaften Eifersucht. Aber der Erwin, des is viele Jahre aus. Gott sei Dank. Apropos: Geht noch ein Achterl?«
Doktor Trash, der schon die ganze Zeit ungeduldig auf die Uhr schaut, winkt kategorisch ab. Der Trainer ruft gleichzeitig den Ober her und bestellt eine weitere Runde.
»Und in letzter Zeit? Hat die Rikki da irgendwelche sonderbaren Verehrer gehabt?« fragt der Trainer.
Der Polifka blickt sehnsüchtig in Richtung Schank, dann schüttelt er den Kopf.
»Die Rikki hätt können mein Enkerl sein, wann i Kinder hätt ...«
»Also was jetzt: ja oder nein?« drängt der Doc.
»Sagns, wos is denn los mit Ihnern Herrn Doktor, dem Fesch?! I sag, wos i waaß, und wü ansonstn nur mei Ruah«, wendet sich der Polifka für aufgebracht an den Trainer.
»Wunderbar«, sagt dieser und verlangt nach der Rechnung, als der Kellner das definitiv letzte Achterl für den Herrn Polifka serviert.
***
Irgendwo in der Meidlinger Mansarde zwitschert penetrant ein Wecker. Der Trainer hat ihn vor dem Einschlafen gut versteckt, damit er in der Früh nicht wieder einfach draufhaut und noch ein paar Stunden Schnarchtraining anhängt. Aber warum? Muß was Wichtiges sein, daß er so früh aufsteht. Irgendwas wegen gestern ...
Plötzlich ist der Trainer putzmunter und springt aus dem Bett. Mit einem Schlag ist ihm alles wieder eingefallen. Er killt die Weckuhr und macht sich in einem Höllentempo ausgehfertig. Der Fall Rikki gehört schleunigst aufgeklärt, sonst konzentriert sich die Polizei wieder auf den Kurtl, und dann geht die ganze Hobbykriminalistik von vorn los, und darunter leidet womöglich die Ausübung des Rock’n’Roll-Handwerks, und diesen Verdienstentgang kann sich der Trainer derzeit überhaupt nicht leisten ... Also auf in die Kirchengasse, der Trash wird’s schon richten.
Vorher muß er aber noch Romana anrufen, die in der Grazer Buchhandlung sicher schon ungeduldig wartet. Gestern hat er sich ja nicht mehr zum Telefon greifen getraut, weil er alles andere als nüchtern war.
Nach eineinhalb Stunden Säuseln und Bussein ist der Trainer endlich soweit. Er verläßt das Haus.
***
»Aber natürlich kommen Sie nicht ungelegen«, sagt Bettina, honigblond und sanft lächelnd, zum Trainer.
»Unchristliche Stunde, ich weiß«, entgegnet der verlegen und hält Trashs mysteriöser Leib- und Seelentrösterin ein Anker-Papiersackerl entgegen. »Bitte sehr, frische Semmerln! Ich bin sozusagen zu einem Arbeitsfrühstück da. Is der Doc vielleicht ...«
Wie auf ein Stichwort öffnet sich in diesem Augenblick eine Tür im langgestreckten, halbdunklen Vorzimmer, und der Gesuchte tritt heraus. So aufgelöst wie gestern, nach seinem Computerunfall, schaut Dr. Trash heute zwar nicht aus, aber er ist weiterhin unrasiert und hat seltsame rote Flecken um Mund und Nase.
»Na, lange Nacht ghabt?« begrüßt ihn der Trainer fröhlich. »Wo hast du denn gestern noch so dringend hinmüssen?«
»Ist jetzt unwichtig«, sagt der Doc mit ungewohnt rauher Stimme und räuspert sich ein paarmal. »Ich furchte, du bist hier, um mich zum Detektivspielen einzuladen. Und ich furchte, ich werde deine Einladung annehmen müssen. Der Kurt braucht uns jetzt.«
»Meine Rede!« freut sich der Trainer. Er weiß zwar genau, daß sich hinter der ungewohnten Menschenfreundlichkeit des Doktors die reine Lust an
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